Auch in diesem Sommer bewegte das Theaterensemble PAPILLONS erneut zahlreiche Zuschauer*innen: In sechs ausverkauften Vorstellungen der Musiktheaterinszenierung „Totenwache“ erlebten sie live, wie Theater mit Menschen funktioniert, die größtenteils an Demenz erkrankt sind.
Diese besondere Wirkung konnten auch die Fernsehzuschauerinnen der 37°-Reportage „Gegen das Vergessen“ spüren, die am 23. September 2025 im ZDF gesendet wurde. Der Film von Thomas Rosenberg und Janina Heckmann begleitet die Entstehung der „Totenwache“ und gewährt bewegende Einblicke in die Lebensgeschichten der Darstellerinnen. „Gegen das Vergessen“ versteht sich als längst überfällige Liebeserklärung an das Alter und stellt ein außergewöhnliches Theaterensemble vor, das den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft weist.
Bei ihrem Blick hinter die Kulissen stellte die freiwillige Autorin Kristina Schmidt fest, welch zentrale Rolle die Engagierten im gesamten Inszenierungsprozess der PAPILLONS spielen. Hier schildert sie ihre Eindrücke: Im Theaterraum des Pflegewohnheims „Am Kreuzberg“ summt es an diesem Abend wie in einem Bienenstock. Stühle werden geschoben, Kinder rennen hin und her, Bewohner tragen einen Tisch hinein, ein Junge versteckt sich unter den Tischen. Es ist Probezeit für das Musiktheaterstück „Totenwache“ des Demenz-Theaterensembles PAPILLIONS. Und es ist eine Probe voller Leben – und voller Freiwilligenarbeit.
Theater als Begegnung
Das Ensemble PAPILLIONS besteht seit zehn Jahren. Es bringt ältere Bewohner*innen, darunter viele mit Demenz, gemeinsam mit Kindern und professionellen Schauspielern auf die Bühne. Unterstützt wird die künstlerische Leitung Christine Vogt durch eine kleine Gruppe Engagierter, die ihre Freizeit in das Projekt investieren. „Es geht um Bewegung und Gemeinschaft“, erklärt Regieassistentin Anne Goldmann, die seit Monaten ehrenamtlich dabei ist. Sie selbst ist theaterbegeistert und empfindet die Arbeit mit den Bewohner*innen als bereichernd: „Die Gespräche sind oft sehr persönlich. Wir fragen nach Erinnerungen, nach Erlebnissen, nach Wünschen. In diesem Stück etwa: ‚In welcher Kleidung möchtest du ins Jenseits gehen?‘“ So tragen die Bewohner*innen bei der Aufführung Kleidung, die für sie eine besondere Bedeutung hat.
Kinder übernehmen Verantwortung
Besonders eindrucksvoll ist die Beteiligung der Kinder. Sie sind nicht nur Mitspielende, sondern auch Unterstützer*innen hinter und auf der Kulisse. Flora, 15 Jahre alt, beschreibt ihr Engagement so: „Ich habe während Corona Brieffreundschaften mit älteren Menschen begonnen, weil ich das Gefühl hatte, sie seien einsam. Danach bin ich beim Theaterprojekt geblieben.“
Flora übernimmt organisatorische Aufgaben, baut Kulissen auf, flüstert Textpassagen ein und sorgt dafür, dass Bewohner*innen an ihrem Platz sitzen. „Es ist schön, dabei zu sein. Aber manchmal weiß ich nicht, wie ich helfen kann, wenn etwas nicht klappt“, sagt sie – und lacht im nächsten Moment über eine Bewohnerin, die einen unerwartet lustigen Kommentar macht. Zwischen Verantwortung und Leichtigkeit, zwischen Hilflosigkeit und Freude bewegt sich ihr Engagement.
Proben voller Überraschungen
Bei der Probe geht es turbulent zu: Bewohner*innen mit Strohhüten und Rollatoren mischen sich mit Kindern in bunten Kleidern. „Probewohnen im Sarg“ wird angekündigt, es wird gemessen, gelacht, geweint. Ein Bewohner erhebt das Glas: „Auf die Kinder, auf unsere Toten!“ – ein Satz, der Gänsehaut und Lächeln zugleich auslöst. Die Kinder wirken wie unsichtbare Motoren des Stücks. Sie animieren, erinnern, motivieren. Manche Bewohner*innen reagieren verzögert oder verwirrt, andere überraschen mit Energie und Humor. Wenn Musik erklingt, reichen oft wenige Töne als Impuls: Ein Schlaflied genügt, und schon spielen alle das Einschlafen.
Premiere mit Herz und Humor
Am Tag der Premiere läuft vieles glatter – und doch bleibt Raum für Improvisation. Eine Bewohnerin fragt mitten in einer Szene trocken: „Krieg ich jetzt die Knarre?“ Ein anderer vergisst zunächst seine eigene Lebensgeschichte. Für das Publikum entstehen dadurch unvergessliche Momente, die zeigen: Authentizität schlägt Perfektion. Eine Zuschauerin erzählt sie habe nie gewusst, wohin sie schauen sollte, so viel sei gleichzeitig passiert. Und genau das ist Teil der Magie: Hier entsteht ein Theater, das nicht inszenierte Perfektion, sondern lebendige Vielfalt zeigt.
Ehrenamt als Herzstück
Ohne Freiwillige gäbe es PAPILLIONS nicht. Menschen wie Anne oder Flora schenken ihre Zeit und Energie – und erhalten dafür besondere Erlebnisse zurück. Anne hebt hervor, dass ihr die Arbeit trotz aller organisatorischen Herausforderungen Freude bereitet – gerade wegen des Miteinanders und der vertrauten Teamarbeit. Die Mischung aus generationsübergreifendem Arbeiten, künstlerischem Ausdruck und echtem Miteinander macht das Projekt einzigartig. Und es zeigt, wie stark Freiwilligenarbeit wirken kann: Sie schafft Räume, in denen Menschen jenseits von Alter, Krankheit oder Rolle in der Gesellschaft zusammenfinden.
Mehr als eine Aufführung
Das Theaterprojekt PAPILLIONS ist mehr als eine kulturelle Aktivität im Pflegeheim. Es ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Ehrenamt Brücken baut: zwischen Jung und Alt, zwischen Erinnerung und Gegenwart, zwischen Leben und Tod. Zum zehnjährigen Jubiläum des Ensembles zeigt sich: Freiwilliges Engagement wirkt nachhaltig. Es schenkt nicht nur den Bewohner*innen Lebensfreude und Selbstwirksamkeit, sondern verändert auch die Sicht der Freiwilligen – und der Zuschauer*innen.
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