Parkinson entsteht über Jahre hinweg und rückblickend stellen Betroffene oft fest, dass sie Vorboten wie Schlafstörungen, Depressionen, Verstopfung oder andere Symptome hatten, diese zu diesem Zeitpunkt jedoch (noch) nicht mit Parkinson in Zusammenhang gebracht wurden. Die Diagnose „Parkinson“ können Ärzt:innen erst mit dem Auftreten der Bradykinese, also der Verlangsamung der Bewegungen, stellen. Ab dann spielen neben anderen Fachdisziplinen Ergotherapeut:innen eine maßgebliche Rolle. Sie sind darauf spezialisiert, sich detailliert mit dem Alltag ihrer Patient:innen, die sie im Übrigen als „Klient:innen bezeichnen, zu befassen.
Ergotherapeutischer Ansatz: den Alltag analysieren und Vorlieben herausfinden
Ergotherapeut:innen orientieren sich an der ganz persönlichen Lebenssituation und an den jeweiligen Anliegen und Fähigkeiten ihrer Klient:innen. Was bedeutet das für die ergotherapeutische Intervention bei Parkinson? „Es ist vielfach belegt, dass es hilft, aktiv zu sein und sich zu bewegen, um die Verlangsamung und die Steifigkeit für eine gewisse Zeit aufzuhalten oder hinauszuzögern“, führt Orellana an. Wie andere Fachdisziplinen auch, kümmern sich Ergotherapeut:innen ebenfalls darum, die Symptome zu mildern und aufzuhalten. Eines ist jedoch grundlegend anders: das Paradigma, also die grundsätzliche Denkweise und damit die Ausrichtung ihrer Intervention. Dazu Orellana: „Bei Ergotherapeut:innen geht es um den Alltag, also um all das, was jeden Tag im Leben der Menschen mit Parkinson stattfindet, und darum, die Lebensqualität und -freude zu erhöhen“. Ergotherapeut:innen durchforsten gemeinsam mit ihren Klient:innen, beispielsweise anhand eines Wochenplans und einem Rückblick in die Vergangenheit, wie die einzelnen Tage aussehen und welche Betätigungen ihnen Freude bereiten oder früher Freude bereitet haben. Das Ziel: körperliche Aktivitäten und Interessen finden, an die sich anknüpfen lässt, die sich zum Ausbauen oder Wiederbeleben eignen. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, eine bestimmte Sportart oder überhaupt sportliche Aktivitäten zu finden. Auch andere Betätigungen kommen in Betracht. Hauptsache, der- oder diejenige tut diese Aktivität(en) gerne.
Maßgeschneidert: Ergotherapeut:innen richten Intervention an Parkinsonpatient:innen aus
Dass dieser Ansatz motiviert, leuchtet ein, denn Jede:r kennt das von sich selbst: Auferlegte oder übergestülpte Übungen verschwinden meist schnell wieder aus dem täglichen Programm. Dinge hingegen, die einem etwas bedeuten oder Spaß machen, wiederholt man gerne oft und immer öfter. Die Ergotherapeutin Orellana belegt dies mit Beispielen aus ihrer Praxis. Sie erinnert sich an einen Klienten, der beim gemeinsamen Reflektieren ein Instrument erwähnte, das er vor seiner Erkrankung gespielt hatte. Er war sehr stolz, dass er das schwierige Instrument früher beherrschte und wollte dies gerne wiederbeleben. Erwünschter Nebeneffekt: die Funktion seiner Hände und Finger zu verbessern. Noch vor dem nächsten Termin mit der Ergotherapeutin schaffte er es, Instrumentenunterricht zu organisieren, zu üben und gleichzeitig an seiner Fingerfertigkeit zu feilen. „Ihm war die große Begeisterung und eine unglaubliche Freude schon anzusehen, noch bevor er davon erzählte“, beschreibt Amy Orellana, wie sich diese Herangehensweise bei ihren Klient:innen mit Parkinson auswirkt. Die intrinsische Motivation, also der eigene Antrieb, verstärkt sich und es stellt sich eine positive Einstellung und Ausstrahlung ein. „Mit demselben Ansatz lassen sich entsprechende Erfolge in allen Bereichen und sogar auf kognitiver Ebene erreichen“, begeistert sich die Ergotherapeutin. Sie berichtet von weiteren Klient:innen, die sich bei der Reflexion an Aktivitäten erinnerten, die ihnen früher schon Freude bereitet hatten, wie etwa der Besuch von Vorlesungen an der Universität oder andere, geistig anspruchsvolle Betätigungen. „Betroffene erleben wieder Teilhabe und nehmen sich nicht mehr an erster Stelle als einen Menschen mit Parkinson, sondern als Menschen, der aktiv ist, wahr“, bestätigt die Ergotherapeutin, welche neue Perspektive Erkrankte dadurch erhalten: Der Fokus ist, den Blick weniger auf die Symptome, sondern vielmehr auf das zu richten, was Lebensqualität und Lebensfreude bringt.
Ergotherapeut:innen vermitteln Betroffenen und Angehörigen Wissen über Parkinson
Auch das Aufklären über die Krankheit, Ergotherapeut:innen nennen das „Edukation“, hilft an Parkinson Erkrankten, ihren Alltag leichter und selbstständiger zu bewältigen. Ergotherapeut:innen nehmen dazu die Gewohnheiten ihrer Klient:innen unter die Lupe. Den wenigsten Menschen mit Parkinson ist bewusst, dass sie zum Beispiel beim Gehen das Risiko eines Sturzes mindern, indem sie Hilfsmittel einsetzen, um Dinge von A nach B zu bringen: Kaffeetasse auf den Servierwagen, andere Gegenstände in den Umhängebeutel, und so weiter. Gleiches gilt für Gespräche beim (Spazieren-)Gehen: „Dual Tasks“ – zwei Dinge gleichzeitig tun – kann das sogenannte Freezing, das plötzliche Erstarren, auslösen. Das wiederum erhöht die Sturzgefahr von Menschen mit Parkinson. Diese Informationen sind nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Angehörigen und das Umfeld wichtig. Ergotherapeut:innen schließen immer auch diejenigen mit in ihre Intervention ein, die mit den Menschen mit Parkinson zusammenleben. Wissen Angehörige um all diese Faktoren, können sie entsprechend handeln. Auch wenn es an erster Stelle um den an Parkinson erkrankten Menschen selbst, Anleitungen oder Anregungen für ihn oder sie geht: Ergotherapeut:innen betrachten Angehörige als „erweiterte Klient:innen“ und bauen zu ihnen ebenfalls eine Vertrauensbasis auf. Sie hören sich ihre Sorgen und Ängste an und helfen ihnen, mit den emotionalen Belastungen umzugehen, wenn der Partner oder die Partnerin zusehends abbaut. Auch ermutigen sie sie, (wieder) ihr eigenes Leben zu gestalten, ihre eigenen Sozialkontakte zu beleben. „Haben sie eine „Erlaubnis“ von der Ergotherapeutin, fällt es betreuenden oder pflegenden Angehörigen oft leichter, das eigene Leben wieder mehr in den Vordergrund zu rücken, Aufgaben abzugeben und das schlechte Gewissen abzulegen“, verdeutlich Orellana eine weitere Besonderheit ergotherapeutischer Interventionen.
Parkinsonpaten und weitere Initiativen – ergotherapeutische Empfehlungen
Überhaupt haben Ergotherapeut:innen eine Reihe alltags- und lebenspraktischer Vorschläge für die Angehörigen und die Betroffenen selbst. Eine Empfehlung ist die Kontaktaufnahme mit den Parkinsonpaten (https://www.parkinsonpate.org/…). Diese Initiative besteht aus Betroffenen, die sich durch eine sehr positive Lebenseinstellung auszeichnen. Neuerkrankte können auf verschiedenen Wegen in Kontakt treten, auf Wunsch auch anonym. Auf welchem Weg auch immer die Kommunikation stattfindet: die Menschen, die als Parkinsonpaten tätig sind, beantworten sämtliche auch noch so heiklen Fragen wertschätzend. Sie sind schlussendlich selbst betroffen und auch daher ausgesprochen empathisch und verständnisvoll. Darüber hinaus gibt es Zusammenschlüsse und Interessensgruppen wie PingPongParkinson Deutschland e.V. (https://pingpongparkinson.de), denen sich Betroffene anschließen können. Gute Optionen, gerade für Neuerkrankte, um festzustellen: es kann noch lange gut gehen. Und dafür, dass es lange gut gehen kann, tun Ergotherapeut:innen ein Übriges, indem sie Menschen mit Parkinson befähigen, sich wieder mehr zuzutrauen und einen möglichst selbstständigen, erfüllten, glücklichen Alltag zu erleben.
Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeut:innen vor Ort; Ergotherapeut:innen in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche. Zum Podcast gerne hier entlang: https://dve-podcast.podigee.io/
Deutscher Verband Ergotherapie e.V.
Becker-Göring-Str. 26/1
76307 Karlsbad
Telefon: +49 (7248) 9181-0
Telefax: +49 (7248) 9181-71
http://www.DVE.info
Referat Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: a.reinecke@dve.info
![]()
