Infolge der veränderten Marktrahmenbedingungen sowie der stark sinkenden Nachfrage geht die Anzahl der getätigten Transaktionen im Wohnimmobilienbereich stark zurück. Speziell auf der Käufer- aber auch auf der Verkäuferseite herrscht eine deutliche Zurückhaltung. Aufgrund der Zinshöhe sowie der restriktiveren Kreditvergaben der Banken, die auch wegen der gestiegenen allgemeinen Lebenshaltungskosten die Anträge genauer prüfen und die Finanzierungshöhe teilweise senken, ist die finanzielle Machbarkeit eines Immobilienerwerbs für die meisten Kaufinteressenten, die traditionell mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanzieren, enorm gesunken. „Zwar ist der Wunsch nach einem Eigenheim immer noch bei vielen Menschen vorhanden“, so Prof. Stephan Kippes, „dennoch müssen viele den Gedanken an die eigenen vier Wände vorerst zurückstellen und u.U. auf den ohnehin überhitzten Mietmarkt ausweichen.“
Eine deutliche Unsicherheit, was die Preisgestaltung angeht, herrscht auch auf der Verkäuferseite. Festzustellen ist, dass zahlreiche Verkäufer teilweise noch Preisvorstellungen wie zu Zeiten vor der Zinswende haben. Deutliche Preisreduktionen in Relation zu den Rekordpreisen des Jahres 2021 sind jedoch vielfach unabdingbar, insbesondere wenn die Immobilie kurz- bis mittelfristig verkauft werden soll. Noch tun sich die Immobilieneigentümer schwer, die neuen Realitäten bei den Verkaufspreisen zu akzeptieren.
Inwieweit es zu Preisabschlägen kommt, hängt stark von der Lage und zunehmend von der Qualität der zum Verkauf stehenden Objekte ab. Die deutlich angezogene Inflation mit in der Folge spürbaren Energiepreisanstiegen haben die Energieeffizienz einer Immobilie immer mehr in den Fokus gerückt. Dies hat Folgen für den Immobilienmarkt: Die Nachfrage nach älteren Häusern mit einer schlechten Energiebilanz bzw. einem hohen Sanierungsbedarf ist aufgrund der extrem gestiegenen Preise für Erdgas, Öl und Strom sowie des heiß diskutierten Gebäudeenergiegesetzes deutlich gesunken. Die Vermarktung solcher Objekte dauert deutlich länger und ist oft nur mit merklichen Preisabschlägen möglich.
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien geht aktuell nicht nur bei Bestandsimmobilien, sondern auch – und hier teilweise noch stärker – im Neubaubereich zurück. Grundsätzlich wurden in den letzten Jahren Neubauangebote vom Markt sehr gut angenommen und meistens noch vor der Fertigstellung abverkauft. Diese Zeiten sind vorerst vorbei. Durch den enormen Zinsanstieg ist die Finanzierung für viele Eigennutzer sehr schwierig.
Durch den starken Anstieg der Hypothekenzinsen, den Kostensprung bei Bauleistungen und die zurückgehende Nachfrage geraten Bauträger zunehmend in Bedrängnis und fahren die Bautätigkeit deutlich herunter. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Projekten, die noch gebaut werden, wird von ihnen kritisch hinterfragt. Viele Wohnungsbauprojekte werden aktuell zurückgestellt oder gestoppt. Auch private Hausbauer nehmen angesichts der steigenden Kosten sowie durch das Ausbleiben sinnvoller staatlicher Neubauförderungen Abstand von ihren Neubauplänen. Dies geht zu Lasten des Wohnungsbaus und der Wohneigentumsbildung. Zwischen Januar und Juni 2023 wurden in allen sieben bayerischen Regierungsbezirken spürbar weniger Wohneinheiten in neuen Wohngebäuden zum Bau freigegeben als im 5-Jahres-Mittel der vorangegangenen Halbjahre (2018 – 2022). Besonders hoch fielen die Abschläge in Unterfranken aus (-46,4 %), gefolgt von Niederbayern (-37,4 %) und Oberfranken (-34,4 %). Einzig in Mittelfranken lag der Rückgang mit -8,8 % „nur“ im oberen einstelligen Prozentbereich. Im bevölkerungsreichsten Regierungsbezirk Oberbayern, traditionell der Hotspot mit dem größten Bedarf nach neuen Wohnungen, wurden -20,3 % (in der Landeshauptstadt München sogar -25,3 %) weniger Wohneinheiten genehmigt als im entsprechenden Vergleichszeitraum. Im gesamten Freistaat steht ein Minus von 24,2 % zu Buche.
Um die weitere Verschärfung des Wohnungsmangels zu vermeiden, müssen dringend umfassende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den sozialen und ökologischen Zielen, wie z.B. realistische und bezahlbare energetische Anforderungen, die Schaffung von übersichtlichen, verlässlichen staatlichen Förderprogrammen sowie steuerliche Anreize (z.B. Aussetzung der Grunderwerbsteuer bei selbstgenutztem Eigentum) und Vereinfachungen im Bauordnungsrecht bzw. bei den Genehmigungsverfahren.
Bayern
Verzeichneten in der vorherigen IVD-Erhebung im Frühjahr 2023 noch einzelne Objekttypen (Baugrundpreise für freistehende Einfamilienhäuser, neuerrichtete Eigentumswohnungen, Doppelhaushälften/Neubau) im Bayern-Schnitt leichte Preisanstiege im Halbjahresvergleich, geht das Preisniveau im Herbst 2023 nun in allen Segmenten mit deutlich höheren Abschlägen zurück.
Auf dem Häusermarkt zeigten Bestandsobjekte etwas höhere Preisnachlässe als neuerrichtete Einheiten. Der Preisrückgang lag bei Doppelhaushälften/Bestand bei -4,4 % (Neubau -3,0 %) und bei Reihenmittelhäusern/Bestand bei -3,7 % (Neubau -3,3 %) im Halbjahresvergleich. Die höchste Preisanpassung gegenüber Frühjahr 2023 verzeichneten freistehende Einfamilienhäuser mit -4,7 %.
Während die Preise für Geschossbaugrund im Herbst 2023 gegenüber Frühjahr 2023 mit -0,5% einen relativ geringen Preisrückgang aufwiesen, gingen die ermittelten Abschlusspreise bei Baugrund für freistehende Einfamilienhäuser um -3,6 % zurück.
Im Marktsegment der Eigentumswohnungen, ähnlich wie auf dem Häusermarkt, lag der Preisrückgang bei Bestandsobjekten im Bayern-Schnitt mit -4,0 % deutlich höher als im Neubaubereich (-1,0 %) im Vergleich Frühjahr-Herbst 2023. In den Großstädten verzeichneten Regensburg mit -8,2 %, Nürnberg mit -6,7 % sowie Augsburg mit -6,6 % die höchsten Preisrückgänge. Die deutlichsten Preisanpassungen bei den Mittelstädten wurden in Aschaffenburg mit -9,1 %, Landshut mit -8,2 % und Rosenheim mit -7,2 % registriert.
München
Der Preisrückgang setzte in München, früher als in allen anderen bayerischen Großstädten, bereits im Herbst 2022 ein. Die ersten Preisabschläge lagen zunächst in der Spanne zwischen -0,4 % und -1,2 %. Im Frühjahr 2023 folgte ein deutlich stärkerer Preisrückgang mit Nachlässen zwischen -5,0 % und -10,1 %. In der aktuellen Erhebung Herbst 2023 bleibt die Tendenz zu sinkenden Preisen erhalten.
Wiesen Eigentumswohnungen aus dem Bestand sowie Baugrundpreise für Geschossbau im Frühjahr 2023 die höchsten Preisanpassungen auf, so verzeichnen die beiden Kategorien in der aktuellen Erhebung mit -5,0 % und -5,4 % die geringsten Preisrückgänge. Neuerrichtete Eigentumswohnungen vermeldeten einen Rückgang von -6,9 %.
Im Segment der Häuser liegen die Preisanpassungen aktuell etwas höher. Die niedrigsten Preisabschläge im Vergleich Frühjahr 2023 – Herbst 2023 wiesen Einfamilienhäuser mit -6,5 % auf. Bestandsobjekte, sowohl bei Doppelhaushälften als auch Reihenmittelhäusern, hatten mit -7,8 % bzw. -8,1 % die höchsten Rückgänge. Im Neubau ging das Preisniveau bei Doppelhaushälften um -7,0 % und bei Reihenmittelhäusern um -7,8 % zurück.
München im 10-Jahresvergleich
In der 10-Jahresbetrachtung sind besonders die Baugrundpreise für freistehende Einfamilienhäuser (+132 %) massiv gestiegen. Die Baugrundstücke für den Geschossbau (+94 %) sowie Doppelhaushälften/Neubau werden im Durchschnitt für fast das Zweifache (+93 %) dessen verkauft, was sie vor 10 Jahren eingebracht hätten. Unter Berücksichtigung der Inflationseffekte reduzieren sich diese Steigerungen allerdings.
Etwas geringer fiel der Anstieg im untersuchten Zeitraum (Herbst 2013 – Herbst 2023) mit +84 % bei Eigentumswohnungen/Bestand, +78 % bei Reihenmittelhäusern/Neubau und +77 % bei Einfamilienhäusern/Bestand aus. Den niedrigsten Anstieg im Herbst 2023 gegenüber Herbst 2013 verzeichneten mit +69 % bzw. +70 % Reihenmittelhäuser/Bestand sowie neuerrichtete Eigentumswohnungen.
Aktuelle Entwicklungen an den Immobilienmärkten ausgewählter Städte
Aschaffenburg
Neuerrichtete Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, die bereits in der Planungsphase oder vor der Fertigstellung in die Vermarktung gehen, werden in Aschaffenburg derzeit sehr verhalten nachgefragt. Meist unterliegen diese Immobilien festkalkulierten Grundstücks- und Baukosten aus den vergangenen Jahren. Diese Preisansätze sind aktuell nicht oder nur vereinzelt durchsetzbar.
Gekürzte KFW-Förderprogramme lähmen den Immobilienhandel deutlich. Wenn überhaupt, werden nach dem Erwerb einer Gebrauchtimmobilie nur Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Energetik durchgeführt. Der Immobilienmarkt sehnt sich quasi nach neuen Förderprogrammen für energetische Verbesserungen und Unterstützungen von jungen Familien.
In den vergangenen fünf Jahren (Herbst 2018 – Herbst 2023) nahm das Preisniveau in Aschaffenburg merklich zu. Die mit Abstand deutlichsten Anstiege erfuhren Wohnbaugrundstücke für Mehrfamilienhäuser mit +46 %. Das Preisniveau bei Eigentumswohnungen stieg um +23 % und Baugrundstücken für Einfamilienhäuser um +22 %. Freistehende Einfamilienhäuser verzeichneten im untersuchten Zeitraum einen Zuwachs von +19 % (jeweils Bestandsobjekte).
Augsburg
Die Trendwende am Wohnimmobilienmarkt hat auch die Fuggerstadt in vollen Zügen erreicht. Im Kaufsegment agieren Kaufinteressenten derzeit stark selektiv, preisbewusst und zurückhaltend. Auf sämtliche Objekttypen trifft eine erheblich gedämpfte Nachfrage. Der Markt hat sich vom Verkäufermarkt hin zum Käufermarkt entwickelt, das Preisniveau ging nach vielen Jahren stetiger Anstiege nun spürbar zurück. Der Druck am ohnehin angespannten Mietmarkt nimmt dagegen weiter zu. Auch ehemalige Kaufinteressenten drängen angesichts einer erschwerten Immobilienfinanzierung vermehrt ins Mietsegment.
In den vergangenen 5 Jahren (Herbst 2018 – Herbst 2023) nahm das Preisniveau in Augsburg spürbar zu. Wohnbaugrundstücke für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser legten mit +63 % bzw. +59 % am deutlichsten zu. Freistehende Einfamilienhäuser stiegen im Betrachtungszeitraum um +41 % und Eigentumswohnungen um +25 % (jeweils Bestandsobjekte) an.
Passau
Nachdem sich der Kaufmarkt in Passau in den vergangenen Jahren durch einen spürbaren Nachfrageüberhang kennzeichnete, sind Angebot und Nachfrage derzeit in etwa im Gleichgewicht. Insgesamt ist die Nachfrage auch in Passau zurückgegangen, gerade Objekte zur Eigennutzung – sowohl Häuser als auch Wohnungen – sind jedoch weiterhin gefragt. Die Kaufpreise entwickeln sich derzeit zu großen Teilen seitwärts. Im Neubau zeigt das Preisniveau in der Tendenz weiterhin leicht nach oben, bedingt u.a. durch stetig gestiegene Baukosten sowie in der Regel höherwertige energetische Standards.
Das Preisniveau hat in Passau in den vergangenen 5 Jahren (Herbst 2018 – Herbst 2023) deutlich angezogen. Die mit Abstand stärksten Anstiege erfuhren Eigentumswohnungen/Bestand mit +55 %, gefolgt von Baugrundstücken für Einfamilienhäuser mit +43 %. Einfamilienhäuser und Baugrundstücke für Mehrfamilienhäuser verteuerten sich im untersuchten Zeitraum um entsprechend +31 % bzw. +30 % (jeweils Bestandsobjekte).
Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Entwicklungen:
– Immobilienumsätze stark im Minus: Insgesamt wurde bayernweit 2022 ein Immobilienumsatzvolumen von 65,7 Mrd. € (-8,7 % gegenüber 2021) erzielt. Im ersten Halbjahr 2023 lag das Transaktionsvolumen bei 21,6 Mrd. € – im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2022 (36,5 Mrd. €) lag der Abschlag bei deutlichen -40,8 %. (Berechnungen des IVD-Instituts auf Grundlage der Grunderwerbsteuerstatistik)
– Starker Rückgang der Baugenehmigungen: Im ersten Halbjahr 2023 lagen die Baugenehmigungszahlen bayernweit bei 25.058 Wohnungen, was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einem erheblichen Minus von -24,2 % entspricht. In der Landeshauptstadt München wurden 3.668 Baugenehmigungen erteilt. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 entspricht dies einem Minus von 25,3 %. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)
– Inflationsrate leicht abgeschwächt: Im Durchschnitt des ersten Halbjahres 2023 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 7,4 %. Im Juli 2023 hat sich die Inflation etwas abgeschwächt, bleibt aber mit 6,2 % weiterhin auf einem hohen Niveau (Juni 2023 6,4 %). (Quelle: Statistisches Bundesamt)
– Deutlich steigendes Zinsniveau: Die Zinshöhe von Wohnungsbaukrediten mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag im Juni 2023 (vorläufig) im Schnitt bei beachtlichen 4,38 %, während der Vorjahreswert noch 2,45 % betrug (Juni 2021: 1,33 %). Ein Darlehen mit einer langfristigen Zinsbindung über 10 Jahre verteuerte sich bis Juni 2023 auf 3,84 % (Juni 2022: 2,77 %; Juni 2021: 1,33 %). (Quelle: Deutsche Bundesbank)
Immobilienverband Deutschland IVD Verband der Immobilienberater
Gabelsbergerstr. 36
80333 München
Telefon: +49 (89) 290820-0
Telefax: +49 (89) 2266-23
http://www.ivd-sued.net
Presse-/Öffentichkeitsarbeit
Telefon: +49 (89) 2266-13
Fax: +49 (89) 2266-23
E-Mail: presse@ivd-sued.net