Menschen brauchen Qualifikation und Beratung anstatt mehr Druck

Die aktuellen Debatten zum Umbau des Bürgergelds ignorieren aus Sicht der Caritas Rottenburg-Stuttgart die tatsächlichen Lebensumstände der Menschen. „Diskussionen etwa um Sanktionen vermitteln ein völlig verzerrtes Bild der Menschen, die Bürgergeld beziehen. Dies hat mit der Realität wenig zu tun“, erklärt Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock, Caritasdirektorin der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Nur ein Teil der Menschen im Bürgergeld ist arbeitslos. Viele sind seit langem vom Arbeitsmarkt abgehängt und kämpfen um Anschluss. Sie brauchen ein garantiertes Existenzminimum sowie Qualifikation und verlässliche Beratung. Druck auszuüben hilft hier nicht weiter“, so Holuscha-Uhlenbrock.  

Wie die Beraterinnen und Berater der Allgemeinen Sozialberatung (ASB) der Caritas berichten, befinden sich viele Ratsuchende, die Bürgergeld beziehen, in akuten finanziellen Schwierigkeiten, weil sie alleinerziehend sind oder in kinderreichen Familien leben. Vielen Müttern und Vätern sei es nicht möglich, ein ausreichendes Einkommen zum Unterhalt ihrer Familie zu erwirtschaften, da sie in Teilzeit arbeiten oder in atypischen Beschäftigungsverhältnissen stecken. „Mit Teilzeitjobs und Niedriglöhnen lässt sich kein ausreichendes Einkommen erzielen“, so Holuscha-Uhlenbrock. Vor allem für Frauen mit kleinen Kindern sei es oft unmöglich, eine existenzsichernde Arbeit aufzunehmen, da keine adäquaten Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Aber auch Menschen, die vorübergehend krank sind oder Angehörige pflegen, beziehen das Bürgergeld. „Gerade in diesen Fällen wieder Sanktionen aufzunehmen, geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen sowie den Anforderungen an das Existenzminimum vorbei.“ Dies sei auch vom Verfassungsgericht in der Vergangenheit beanstandet worden. In der Regel seien Beziehende von Bürgergeld bemüht, mit den Jobcentern zu kooperieren und ihren Alltag irgendwie zu stemmen.

 „Zu den finanziellen Schwierigkeiten kommen häufig Perspektivlosigkeit oder Zukunftsängste, weshalb die Menschen unsere Beratungsstelle aufsuchen“, so Holuscha-Uhlenbrock. „Unsere Beratung hilft, die Lebenslage zu stabilisieren, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und die Ressourcen und Kompetenzen der Menschen zu aktivieren.“ Beratung zu einem frühen Zeitpunkt könne sogar vermeiden, dass sich aus einzelnen sozialen und rechtlichen Problemlagen komplexe und langwierige soziale Schwierigkeiten entwickeln. „Angesichts dieser Erfahrungen geht die parteipolitische geprägte Debatte mit dem Fokus auf sogenannte Totalverweigerer an den Problemen der Menschen vorbei.“

Die Allgemeine Sozialberatung ist eine erste Anlaufstelle für Menschen, die von Armut betroffen sind und mit mehr oder weniger komplexen Problemen Rat und Hilfe benötigen. Die Beratung wird ausschließlich aus Eigenmitteln finanziert. Die Mitarbeitenden bieten je nach Problemlage differenzierte Unterstützung in persönlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Schwierigkeiten an, so etwa durch finanzielle Überbrückungshilfen, oder sie vermitteln an Fachberatungsstellen. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind 41 Beraterinnen und Berater in gut 16 Vollzeitstellen an 57 Standorten und Außenstellen in Trägerschaft des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart in der Allgemeinen Sozialberatung tätig. Rund ein Viertel der Klient*innen sind alleinerziehend, etwa 30 Prozent sind arbeitslos. Die Allgemeine Sozialberatung ist auch als Clearingstelle zu verstehen, die mit anderen Diensten und Kirchengemeinden zusammenarbeitet und die Ratsuchenden bei Bedarf zielgenau weitervermittelt.

 

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