Vergleich in der VW Musterfeststellungsklage: Rosinenpickerei am Gesetz vorbei

Nachdem die Vergleichsgespräche zwischen dem Volkswagen-Konzern und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) zunächst für gescheitert erklärt worden sind, wurde nunmehr eine Einigung verkündet. Mindestens 100.000 der circa 366.000 angemeldeten VW-Kunden bekommen jedoch keinerlei Entschädigung. Die Musterfeststellungsklage  gegen Volkswagen wird durch den vzbv dennoch Ende April zurückgenommen werden. „Es ist natürlich enttäuschend, dass die Interessen von fast einem Drittel der Verbraucher für die Einigung geopfert werden. Umso mehr sollten all diejenigen, die durch das Raster gefallen sind, ihre Ansprüche mit aller Konsequenz weiter verfolgen“, empfehlen Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert, Partner der im Bank- und Verbraucherschutzrecht tätigen Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte aus Nürnberg.

In den Medien wird oftmals über einen Vergleich in dem VW-Musterfeststellungsklageverfahren vor dem OLG Braunschweig berichtet. Es existieren klare gesetzliche Regelungen für eine Beendigung der Musterfeststellungsklage durch einen gerichtlichen Vergleich. So muss das Gericht den Vergleich zunächst genehmigen. Hiermit soll sichergestellt werden, dass es sich um eine für den Verbraucher angemessene vergleichsweise Regulierung handelt. Danach ist der Vergleich jedem einzelnen Verbraucher zuzustellen. Betroffene haben sodann einen Monat Zeit, um ihren Austritt aus dem Vergleich zu erklären. Schlussendlich kommt nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung ein Vergleich nur dann wirksam zustande, falls weniger als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher ihren Austritt aus dem Vergleich erklärt haben.

Die außergerichtliche Einigung zwischen demVerbraucherzentrale Bundesverband e.V und der Volkswagen AG erfüllt diese Anforderungen in entscheidenden Punkten gerade nicht. „Von einem echten Vergleich im Sinne der Musterfeststellungsklage kann keine Rede sein“, stellt Rechtsanwalt Dr. Hoffmann klar. Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte wurden die aus gutem Grunde gesetzlich festgeschriebenen Mechanismen vielmehr umgangen. Dies betrifft insbesondere die gesetzlich festgeschriebene 30-Prozent-Grenze. Von dieser hätten genau die rund 100.000 Geschädigten profitiert, die trotz der Einigung gerade keine Vergleichsangebot von VW erhalten. Das Verfahren wäre sodann mangels Zustandekommens eines wirksamen Vergleichs schlicht fortzuführen gewesen. Jetzt  nimmt der Verbraucherverband jedoch in jedem Fall – selbst wenn kein einziger Verbraucher das Vergleichsangebot von VW annehmen sollte – die Klage Ende April 2020 zurück und circa 100.000 Verbraucher schauen in die Röhre. Dies war ersichtlich nicht die gesetzgeberische Intention bei der Einführung der Musterfeststellungsklage.

Vielmehr sollte ein gerichtlicher Vergleich mit Wirkung für alle angemeldeten Verbraucher geschlossen werden. Demgegenüber pickte sich die Volkswagen AG in den Vergleichsverhandlungen offensichtlich die Rosinen heraus. Nur bestimmte „qualifizierte“ Anmelder erhalten Vergleichsangebote. „In all diesen Fällen bestehen nach der aktuellen Rechtsprechung ohnehin Haftungsansprüche gegenüber VW, wobei die Entschädigungen oftmals deutlich höher ausfallen als die außergerichtlichen Vergleichsangebote“, erläutert Rechtsanwalt Göpfert.

In der weit überwiegenden Mehrheit der rund 100.000 „nicht qualifizierten“ Fälle erfolgte der Erwerb des manipulierten Kfz nach dem 31.12.2015. In diesen Sachverhalten lehnen einige Gerichte eine Schadensersatzhaftung der Volkswagen AG ab, weil VW bereits mit einer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 die Öffentlichkeit über die „Softwareproblematik“ informiert habe. Volkswagen sah daher ein geringeres Haftungsrisiko und damit keinen Anlass für eine Vergleichszahlung. Nach Sinn und Zweck der Musterfeststellungsklage sollte jedoch gerade auch bei einem Vergleich nicht die „Rosinentheorie“, sondern die „Krötentheorie“ herrschen.

Die circa 100.000 Geschädigten, die durch das Raster gefallen sind, müssen dennoch nicht leer ausgehen. Die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner empfiehlt dringend, auch in diesen Fällen Schadensersatzansprüche mit aller Konsequenz weiter zu verfolgen. Denn nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte bestehen auch für Betroffene, die ihr Kfz erst nach dem 31.12.2015 gekauft haben, gute Chancen, ihre Ansprüche erfolgreich gerichtlich durchzusetzen.

So stellte bereits das OLG Hamm in seinem Urteil vom 10.09.2019, 13 U 149/18, zutreffend fest, dass VW auch im Falle des Erwerbs eines manipulierten Kfz im Jahr 2016 auf Schadensersatz haftet. Ebenso entschied jüngst das OLG Oldenburg mit Urteil vom 16.01.2020, 14 U 166/19. Das Oberlandesgericht erachtet die Ad-hoc-Mitteilung von VW Ende 2015 für irrelevant, nachdem der Schaden bereits eingetreten war. „Der Senat des OLG Oldenburg hält es völlig zu Recht für unangemessen, den Täter bei einer vollendeten sittenwidrigen Handlung mit Straflosigkeit zu belohnen, nur, weil er sein Handeln öffentlich macht. Am Ergebnis der Tat ändert das nämlich nichts“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann.

Es zeigt sich also, dass Verbraucher ihre Schadensersatzansprüche mit einer Einzelklage weiter verfolgen sollten. Gerade wenn Autobesitzer über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügen, die bereits vor dem Kauf abgeschlossen worden ist, besteht vielfach ohnehin kein Kostenrisiko. Es empfiehlt sich rasches Handeln. Ganz abgesehen davon, dass Betroffene nicht weiter sinnlos Zeit verschwenden sollten, müssen auch Verjährungsfristen beachtet werden. Nachdem der vzbv die Klage gegen VW Ende April zurücknehmen wird, läuft ab dem Tag der Rücknahme grundsätzlich eine Verjährungsfrist von 6 Monaten.  

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