Deutsche Wirtschaft warnt vor neuen US-Sanktionen gegen Nord Stream 2

Mit großer Sorge beobachtet die deutsche Wirtschaft die fortgesetzten Versuche US-amerikanischer Senatoren, die Bauarbeiten an der europäisch-russischen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zu sanktionieren. „Die Pläne sind eine direkte Bedrohung für die Rechtssicherheit in der Europäischen Union und würden zu US-Sanktionen gegen Dutzende von deutschen und europäischen Unternehmen führen. Der vorliegende Gesetzentwurf würde damit einen großen Scherbenhaufen im transatlantischen Verhältnis verursachen“, warnte der Vorsitzende des Ost-Ausschuss – Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft Oliver Hermes. „Europäische Energiefragen sind in Europa und nach europäischen Gesetzen zu klären und nicht durch US-Repräsentanten. Das Bauprojekt Nord Stream 2 hat alle EU-Genehmigungsverfahren erfolgreich durchlaufen. Wir gehen davon aus, dass die EU-Kommission und die Bundesregierung europäische Unternehmen vor dieser Einflussnahme von außen schützen und die Souveränität der EU entsprechend verteidigen werden.“

Der so genannte „Protecting Europe´s Energy Security Clarification Act of 2020“, der am Donnerstag auf Initiative einiger Senatoren eingebracht wurde, soll ein bereits implementiertes US-Sanktionsgesetz ergänzen und rückwirkend mit Stichtag zum 19. Dezember 2019 gelten. Er bedroht nicht mehr nur die Eigner der am Projekt beteiligten Pipeline-Verlegeschiffe mit US-Sanktionen, sondern alle Unternehmen und Personen, die zur Ausrüstung der Schiffe beitragen oder in irgendeiner anderen Form an Pipeline-Verlegearbeiten beteiligt sind, einschließlich Versicherungsunternehmen, IT-Dienstleistern und Zertifizierern. Die Sanktionen betreffen nicht nur US-Bürger, sondern sollen ausdrücklich exterritorial angewendet werden.

„Die politischen Argumente, die die US-Vertreter gegen das Projekt Nord Stream 2 vorbringen, haben viel mit Fake News und wenig mit der Realität zu tun. Nord Stream 2 bedroht nicht die europäische Energiesicherheit, sondern sorgt durch zusätzliche Gasmengen dafür, dass bei wachsender Nachfrage die Energiepreise für Europas Haushalte und Unternehmen stabil bleiben und die EU ihre Klimaziele schneller erreichen kann“, betonte Hermes. „Dass sich Deutschland durch Energiebeziehungen mit Russland in Geiselhaft begibt, wird seit vielen Jahren in den USA behauptet, einen Beleg dafür gibt es bis heute nicht.“

Der Ost-Ausschuss bietet interessierten US-Repräsentanten an, sich vor Ort an der ostdeutschen Küste selbst ein Bild der Lage zu verschaffen. „Wer meint, von Texas aus die Politik in Europa beeinflussen und uns vor Russland retten zu müssen, sollte vielleicht einmal mit den Betroffenen seiner Politik und nicht nur mit Lobby-Gruppen in den USA reden. Zum Gelingen des Projektes Nord Stream 2 tragen in Europa tausende von Unternehmen aus 25 Ländern bei“, so Hermes. An der Fertigstellung der letzten 150 von insgesamt 2.500 Pipelinekilometern seien insbesondere mittelständische Zulieferbetriebe in Ostdeutschland einschließlich des Hafens Mukran auf Rügen beteiligt. „Dass diese Unternehmen und Vertreter von staatliche Genehmigungsbehörden mit ihrer Arbeit die Sicherheit der großen USA bedrohen, wie die US-Senatoren behaupten, ist fern der Realität.“

Zu den angedrohten US-Sanktionen gehören laut Gesetzentwurf Einreiseverbote und die Blockade von Eigentum in den USA. Zudem bestünde die Gefahr, Aufträge von US-Unternehmen zu verlieren. „Selbst wenn die Sanktionen kommen, gehen wir davon aus, dass das Pipeline-Projekt, für dessen Finanzierung westeuropäische Unternehmen bereits über fünf Milliarden Euro aufgebracht haben, fertig gestellt werden muss“, so Hermes. „Der Schaden im transatlantischen Verhältnis und der Reputationsverlust der USA würden aber bleiben. Mit derartig protektionistischen Methoden drohen die Amerikaner als Verteidiger von Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit auf Dauer auszufallen.“

Über den OAOEV:

Der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft e.V.“ (OAOEV) bündelt seit Mai 2018 die Kompetenzen der beiden traditionsreichen Vereine Ost-Ausschuss (gegründet 1952) und Osteuropaverein (gegründet 1990) und fördert die deutsche Wirtschaft in den 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens. Der deutsche Osthandel steht insgesamt für rund ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels und ist damit bedeutender als der Handel mit den USA und China zusammen. Der OAOEV hat rund 350 Mitgliedsunternehmen und -verbände und wird von sechs Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – BDI, BGA, Bankenverband, DIHK, GDV und ZDH – getragen.

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