Die corona-bedingten Beschränkungen sind eine schwere Belastung für das Konzept der Vesperkirche, das vor allem auf persönliche Begegnung setzt. Trotzdem finden viele Gemeinden Lösungen, mit denen sie auch in diesem Winter arme und benachteiligte Menschen unterstützen können.
So hat zum Beispiel die Kreisdiakonie in Ludwigsburg gemeinsam mit zehn Gastronomen für Januar und Februar eine Vesperkirche to go konzipiert. Andere Wege geht man etwa in Kirchheim unter Teck, wo die Vesperkirche zur persönlichen Einladung nachhause wird, oder in Weingarten, wo die Gemeinde das Angebot räumlich und zeitlich entzerrt.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July würdigt das Engagement: „Vesperkirchen sind unverzichtbar, sie legen den Finger in eine Wunde des Sozialstaats. Gerade in der Pandemie verschärfen sich die sozialen Gegensätze. Als Christen stehen wir klar auf der Seite der Armen und Benachteiligten“, sagt er. „Ich bin den mehreren Tausend Engagierten vor Ort sehr dankbar. Sie setzen sehr viel Zeit, Kraft, Geld und – gerade in dieser Zeit – auch viel Kreativität und Fantasie ein, um denen beizustehen, die Hilfe brauchen.“
Der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, weist auf die wichtige Funktion der Vesperkirchen hin: „Vesperkirchen verhindern weder Armut noch soziale Ungerechtigkeiten. Sie sind auch keine Suppenküchen. Vesperkirchen sorgen dafür, dass sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und Prägung auf Augenhöhe begegnen und jene wahrgenommen werden, die sonst wenig Beachtung finden. Sie bieten Nahrung für Leib und Seele. Und sie mahnen die Politik: Setzt euch stärker für die Armen ein.“ Derzeit sind 25 Vesperkirchen bis Ende März in Baden-Württemberg geplant, neun weniger als vor Corona.
In der letzten Vesperkirchensaison vor Ausbruch der Pandemie (2018/2019) fanden in Baden-Württemberg 34 Vesperkirchen statt, vier davon in Baden. Zwölf der 34 Vesperkirchen wurden ökumenisch organisiert. In den 30 württembergischen Vesperkirchen haben damals rund 6.600 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer an 575 Vesperkirchentagen rund 170.000 Mahlzeiten ausgegeben. Die vergangene Saison (2019/2020) stand schon unter dem Einfluss von Covid-19. Mehrere Vesperkirchen mussten vorzeitig abgebrochen werden oder konnten gar nicht erst stattfinden.
Vesperkirchen bieten bedürftigen Menschen Verpflegung und ein warmes Plätzchen in der kalten Jahreszeit, medizinische und praktische Hilfe sowie menschliche Zuwendung. Ehrenamtlich arbeitende Ärzte sind im Einsatz; vor Corona konnten sich Besucher kostenlos die Haare schneiden lassen, Tierärzte kümmerten sich um die Haustiere der Gäste. Andachten und kulturelle Angebote, beispielsweise kostenlose Konzerte, machen die Vesperkirchen zum Ort der Begegnung für Menschen aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Die erste Vesperkirche öffnete Mitte der 1990er Jahre in der Stuttgarter Leonhardskirche.
Weitere Informationen sowie eine Übersicht der stattfindenden Vesperkirchen finden Sie hier.
Die Diakonie Württemberg ist die soziale Arbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Freikirchen. Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein Dachverband für 1.400 Einrichtungen mit fast 50.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.
Bundesweit sind rund 525.000 hauptamtlich Mitarbeitende und etwa 700.000 freiwillig Engagierte in der Diakonie aktiv. Der evangelische Wohlfahrtsverband betreut und unterstützt jährlich mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland.
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