Mit vernehmbarem Sirren dringt die Diamantsäge durch die linke Tragfläche der 65 Jahre alten, ausgedienten Boeing 707-400 am Hamburger Flughafen. Die Außenseite des Flügels ist schon abgetrennt, jetzt schneidet der Baggerfahrer unmittelbar an der Bordseite des Triebwerks durch das dünne Aluminium. Das ist keine wirklich belastende Aufgabe für die eigens angemietete KEMROC-Diamantsäge KDS 50 am firmeneigenen Umschlagbagger der Thelen Industrial Demolition GmbH (TID). Unter dem Düsenmotor setzt ein Teleskopstapler seine Ladegabel an, damit das Bauteil nach dem Abschneiden nicht zu Boden fällt. Dann ein letzter Biss mit der Schrottschere, das Triebwerk ist abgetrennt und wird, mit Gurten an der Ladegabel des Telehandlers befestigt, fortgefahren.
Mit sauberen Schnitten
„Eine Stunde lang hat das Triebwerk sich gewehrt“, berichtet später Jens Hamann, Leiter der TID-Niederlassung Hamburg. Er hatte die KEMROC-Diamantsäge bei Tristan Vierbergen, einem früheren Kollegen und heute Geschäftsführer von Arvi, einem niederländischen Ausrüster für Abbruchwerkzeuge, angemietet. TID hatte den Auftrag erhalten, das 46 m lange Flugzeug in Schrott zu zerteilen und dabei historisch wertvolle Teile zu retten, die im September 2021 versteigert werden sollen.
Diamantsägen der Serie KDS von KEMROC wurden für das Schneiden von Beton, Stahlbeton, Gestein und glasfaserverstärktem Kunststoff entwickelt. Hohe Drehzahlen und eine Vielzahl verfügbarer Sägeblätter ergeben ein breites Einsatzspektrum und hohe Effektivität. Mit den Bauteilen aus Aluminium an der Boeing 707 in Hamburg kam die KDS 50 am Umschlagbagger CAT MH 3024 von TID daher auch leicht zurecht. „Der sensible Rückbau einer Boeing erfordert Präzisionswerkzeug“, erklärt Jens Hamann seine Entscheidung zur Wahl des Anbauwerkzeugs, „da lag es nahe, die KEMROC-Diamantsäge einzusetzen, die für ihre Präzision bekannt ist.“
Versteigerung in Einzelteilen
Mit dem Flugzeugtyp Boeing 707 begann für die Lufthansa im Jahr 1960 das Zeitalter der Düsenflieger. Die Maschine mit der ehemaligen Kennung D-ABOD und dem Taufnamen „Frankfurt“ wurde im April 1960 an das Luftfahrtunternehmen übergeben, gut 15 Jahre später unternahm sie ihren letzten Linienflug. Anschließend diente sie auf der Lufthansa-Basis am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel zur Ausbildung von Technikern. Im Jahr 1999 kaufte sie der Flughafen für den symbolischen Betrag von einem Euro. Dort diente die Boeing 707 für Übungen und als Filmkulisse. Dann wurde der Unterhalt zu teuer. Ein Industrie-Auktionshaus versuchte, den vierstrahligen Jet als Ganzes zu versteigern, aber es fand sich kein Käufer. So fiel die Entscheidung, die Maschine zu zerlegen und Einzelteile durch ein Auktionshaus versteigern zu lassen.
Thelen Industrial Demolition ist deutschlandweit in den Bereichen Montage, Demontage, industrieller Abbruch, Asbestsanierung, Umwelttechnik und Brandschadensanierung tätig. Schon genau einen Monat vor dem Einsatz am Airport Hamburg, nämlich am 10. Mai 2021, hatten Mitarbeiter von TID auf dem – damals schon historischen – Flughafen Berlin-Tegel eine ausrangierte Boeing 707-400 zerkleinert. Dort arbeitete man mit einem Sortiergreifer und einer Schrottschere. Beide Boeings wurden zwar auf unterschiedliche Art und Weise zerlegt, erläutert Jens Hamann, im Ergebnis jedoch innerhalb eines ähnlichen Zeitfensters. „Im Falle der Hamburger Maschine ermöglichte die Diamantsäge ein äußerst präzises, sauberes und gezieltes Arbeiten, sodass ein größtmöglicher Teil der zerlegten Boeing 707 im originalen Zustand versteigert werden kann“, kommentiert der Diplom-Ingenieur und fügt hinzu: „Bei ähnlichen Aufgabenstellungen können wir uns durchaus vorstellen, wieder mit einer KEMROC-Diamantsäge zu arbeiten.“
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