Ostdeutsche Schweinehalter kämpfen mit historisch niedrigen Erlösen und explodierenden Futtermittelkosten

Am 11. November diskutierten über 100 mitteldeutsche Schweinehalterinnen und Schweinehalter sowie Vertreterinnen und Vertreter von Landwirtschaftsbehörden, der Tierärzteschaft und der Industrie in Halle-Peißen über die Zukunftsfähigkeit der Schweinehaltung in Ostdeutschland. Die Lage der hiesigen schweinehaltenden Betriebe ist derzeit extrem schwierig: Neben der derzeitigen Kostenexplosion bei Futtermitteln setzt insbesondere der historisch niedrige Schweinepreis den Schweinhalterinnen und Schweinhaltern zu. „Seit Monaten verlieren sauenhaltende Betriebe mit jedem aufgezogenen Ferkel 50 Euro. Ein 28 kg schweres Ferkel erlöst derzeit maximal 20 Euro für den Halter ¬– eine Tankfüllung an der Tankstelle ist aktuell das Vierfache wert. Schweinemäster verlieren pro vermarkteten Mastschwein 60 Euro von bereits investiertem Kapital. So erhält der Schweinemäster 1,20 Euro pro kg Schlachtgewicht, eine Kugel Eis mit 80 – 90g kostet in Deutschland im Schnitt 1,30 Euro. Selbst ein Liter Diesel ist mit 1,50 Euro mehr wert als 1 kg Schweinefleisch vom deutschen Schweinemäster. Das alles steht in keinem Verhältnis mehr. Wo bleibt die Wertschätzung für Schweine und die damit verbundenen Lebensmittel? Eine Schmach für alle Schweinehalter und eine Herabwürdigung der täglichen intensiven und immensen Aufwendungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche für die Betreuung der Tiere in schweinehaltenden Betrieben aufbringen müssen“, so André Telle, Schweinhalter aus Heberndorf und Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Thüringen.

Viele Schweinehalterinnen und Schweinhalter wissen aufgrund der weiter auseinandergehenden Kosten-Erlös-Schere nicht, wie sie ihre Betriebe weiterentwickeln sollen und stehen inmitten der schwierigsten Situation der Geschichte vor der Frage, ob sie die Schweinehaltung aufgeben oder doch versuchen, sie zukunftsfähig aufzustellen. Um Betriebsaufgaben und einen weiteren Rückgang der Schweinebestände in Mitteldeutschland zu verhindern, müssen aus Sicht des Berufsstandes zudem die Nutztierstrategie des Bundes (sog. Borchert-Kommission) konsequent umgesetzt und das Bau- und Genehmigungsrecht für Stallanlagen angepasst werden. Auch die Politik ist gefragt: „Um in Deutschland noch weiterhin Schweine halten zu können, benötigen wir zeitnah ein klares Bekenntnis von der Politik und den Marktteilnehmern“, so Marko Hesse, Geschäftsführer der Thüringer Agrargesellschaft Neunheilingen.

Ein richtungsweisender Ansatz wäre es zudem, wenn sich der Lebensmitteleinzelhandel, Großverbraucher und die Gastronomie zu deutschem Schweinefleisch bekennen würden. Hier muss es perspektivisch zu einer Solidaritätsgemeinschaft aller Beteiligten kommen, so dass auch der Erzeuger, als das erste Glied in der Kette, genauso stark wie die anderen Glieder sein kann. „Wir fordern, allein schon aus ökologischen Gesichtspunkten heraus, dass hierzulande nur noch Fleisch von Schweinen vermarktet wird, die in Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet worden sind (5xD). Wenn wir unsere Ställe schließen, woher kommt dann künftig das Schweinefleisch für die Thüringer Rostbratwurst? Besser wäre es dann, wenn wir sie gleich als iberische Rostbratwurst vermarkten“, so Hesse.

Hintergrund

Schweinehaltung in Thüringen

Insgesamt werden heute in Thüringen nur noch 560.000 Schweine (Stichtag 1. Mai 2021) gehalten. Damit gingen die Schweinebestände seit 2016 um rund 25 Prozent zurück.

Insbesondere die Sauenhaltung nimmt ab. So werden heute nur noch rund 65.000 Zuchtsauen (Stichtag 1. Mai 2021) gehalten, 2020 waren es noch fast 82.500 gewesen (Stichtag 1. Mai 2020). Allein In den zurückliegenden acht Jahren haben bereits 42 Betriebe ihre Sauenhaltung vollständig aufgegeben. Einige Betriebe haben ihren Sauenbestand erheblich abgebaut (um 25 bis 70 Prozent).

Bei den Mastschweinen ist der Bestandsrückgang nicht so extrem ausgeprägt wie bei Sauen, doch in einigen Fällen wurde der Bestand deutlich zurückgefahren.

Ein Grund für den Rückgang sind die nationalen Alleingänge der deutschen Politik in Zeiten eines europäischen Binnenmarktes. Der Wettbewerbsnachteil für deutsche Schweinehalterinnen und -halter beträgt mittlerweile 45 Euro je Tier gegenüber anderen EU-Staaten.

Weil viele Betriebe aus der Schweinehaltung ausgestiegen sind, liegt der Selbstversorgungsgrad der mitteldeutschen Bevölkerung mit regionalen Schweinefleischprodukten schon bei unter 60 Prozent.

Mitteldeutscher Schweinetag

Das im zweijährigen Turnus stattfindende Fachforum wurde vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum, der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt, dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Zusammenarbeit mit der Erzeugergemeinschaft Altmark Schwein und dem Netzwerk Fokus Tierwohl organisiert.

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