Neues Mühlenzeitalter

Mit seinem integrierten Vermahlungssystem «Arrius» läutet die Bühler AG aus Uzwil einen Paradigmenwechsel in der Müllerei ein. Die revolutionäre Lösung garantiert eine höhere Vermahlungsleistung bei zugleich geringerem Energieverbrauch. Und das ist nicht alles.

Wie beginnt man einen Beitrag über eine Lösung, die so revolutionär ist, dass diese alle bisherigen Dogmen der Müllerei in Frage stellt? Nun, idealerweise erklärt man zunächst einmal den Status Quo, um überhaupt verstehen zu können, wieso das Ostschweizer Technologieunternehmen mit «Arrius» das Tor in ein neues Zeitalter aufgestossen hat! Dazu bedarf es jedoch eines Exkurses.

Funktionsweise der bisherigen Walzenstühle

Auf seinem Weg zum Mehl durchläuft das Korn innerhalb einer Mühle verschiedene Prozessschritte. Der entscheidende Prozess ist die Vermahlung. In mehrere Passagen erfolgt die Zerkleinerung des Getreidekorns zu Mehl. Die Zerkleinerung erfolgt mit dem Walzenstuhl, bei welchem zwei fast plan aufeinander laufende Walzen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten das Getreide vermahlen. Deren Aufgabe ist es, das passierende Getreide in möglichst viele kleine Bestandteile aufzuteilen. In der ersten Passage, der Schrotpassage, haben die Walzen eine stark gerillte Oberfläche. Die Bruchstücke werden auf den Plansichter transportiert, der diese je nach Grösse in unterschiedliche Zwischenprodukte siebt. Diese wiederum werden in der Mühle durch ein pneumatisches Fördersystem und den Rohrbau auf weitere Walzenstühle verteilt. Äusserlich unterscheiden sich diese nicht vom Walzenstuhl der ersten Passage, die Abweichung zeigt sich erst beim Betrachten der Walzen. Die Oberflächen der verbauten Walzen werden von Maschine zu Maschine feiner. In den letzten Walzenstühlen, welche Griess und weitere Zwischenprodukte zu feinem Mehl vermahlen, sind die Oberflächen der Walzen glatt.

Das konstruktionstechnisch Besondere an den Walzenstühlen ist deren zweigliedriger Aufbau in einen oberen und einen unteren Walzenstuhlteil. Der obere Teil ist für den Müller zugänglich und gestattet es ihm den Vermahlungsprozess zu verfolgen. Der untere Teil befindet sich auch räumlich in einer anderen Etage und beinhaltet neben den Motoren des Weiteren den Abtransport des Mahlgutes. Nach diesem Prinzip, das seinen Ursprung in der Zeit hat, als noch Transmissionswellen Maschinen antrieben, konstruierte selbst Bühler bis vor kurzem seine Walzenstühle. Doch nun zurück zur eigentlichen Geschichte.

Vorteile des integrierten Vermahlungssystems

«Wir sagten uns, wir wollen etwas ganz Neues machen und verbanden dies mit der Anforderung, die Montagezeit beim Kunden zu verkürzen», sagt Daniel Mark von der Bühler AG aus Uzwil. Aus dieser Vorgabe heraus entstand schliesslich die Idee, den oberen und den unteren Walzenstuhl zu einer Einheit zu verschmelzen, die Motoren, Schaltschrank und zugleich einen Webserver integriert. «Deshalb sprechen wir jetzt auch nicht mehr von einem Walzenstuhl», so der verantwortliche Produktmanager, sondern von einem «integrierten Vermahlungssystem».

Und dieses integrierte Vermahlungssystem bietet gleich mehrere Vorteile, die sich nicht nur maschinenseitig ergeben. «Weil nun ein Stockwerk entfällt, erleichtert das den Bau einer Mühle und macht diesen günstiger», so Daniel Mark. Ausserdem verkürzt diese Verbesserung die Montagezeit um Faktor drei. Diese ergibt sich unter anderem durch den Wegfall von 13 Kabelsträngen, die bei den vorherigen Modellen zwischen den einzelnen Etagen gezogen werden mussten. Zugleich entfällt der Testaufwand, da die Maschinen nun gleich betriebsbereit in die Auslieferung gehen. «Den Aufwand, den wir früher vor Ort hatten, haben wir nun in unsere Fertigung verlegt», erklärt er und schickt gleichen einen weiteren Vorteil hinterher: «Dadurch verkürzt sich die Montage und Inbetriebnahme vor Ort beim Kunden.» Gerade vor dem Hintergrund von Covid-19 habe das Thema «Reisebeschränkung» ein vollkommen neues Gewicht bekommen.

Technische Optimierungen der bisherigen Walzenstühle

Neben den Einsparungen beim Mühlenbau, den Reisekosten und der Inbetriebnahme glänzt «Arrius» gleich mit mehreren technischen Neuerungen. Als erste Innovation nennt Daniel Mark das neue Speisemodul, das Schwankungen bei der Zufuhr des Mahlgutes ausgleicht. Kommt mehr Mahlgut, ist das Speisemodul so programmiert, dass dieses schneller läuft. Ein PFC200-Controller übernimmt diese Aufgabe und sorgt dafür, dass das Korn über eine geometrisch optimierte Schneckenspindel über die komplette Walzenbreite ausgetragen wird. «Das bedarf eines entsprechenden Wissens in der Programmierung und Steuerungstechnik», versichert der Maschinenbau-Ingenieur.

Damit die komplette Antriebseinheit im integrierten Vermahlungssystem Platz findet, verfügt diese über ein speziell entwickeltes Getriebe. Dieses ist nicht nur kompakter, sondern reduziert den Energieverbrauch um bis zu zehn Prozent. Als weitere Besonderheit nennt Daniel Mark die Auslegung des Schaltschranks. Obwohl dieser wegen der Abwärme zusätzliche Kühlaggregate benötigt, ist es den zuständigen Ingenieuren und Konstrukteuren gelungen, diese in das Vermahlungssystem zu integrieren. Darüber hinaus ist der Schaltschrank nun gekapselt und ATEX-konform ausgelegt, da dieser als Bestandteil der Maschine nun im EX-Bereich, zu dem Mühlen zählen, steht.

Vorzüge für den Anwender

Dass die Bühler AG mit dem integrierten Vermahlungssystem «Arrius» das Tor in ein neues Zeitalter der Müllerei aufgestossen hat, dafür sprechen die technischen Fakten und Angaben. Zugleich erhöht es durch weitere Optimierungen die Vermahlungsleistung einer Mühle. In Anbetracht des Margendrucks in der Lebensmittelindustrie ist dies für die verbliebenen Mühlen ein weiteres Plus.

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