Handwerk bietet jungen Menschen gute Perspektiven

Die Ausbildungszahlen im Handwerk der Region gehen seit Jahren zurück. Aktuell machen 4.290 junge Menschen eine Lehre bei einem der Handwerksbetriebe in der Rhein-Neckar-Odenwald-Region. Vor zehn Jahren waren es noch 5.217. Für das Handwerk ist das ein großes Problem. Die Betriebe haben weitaus mehr Stellen zu bieten als Personal nachrückt. Alleine in der Ausbildungsbörse der Handwerkskammer sind derzeit über 500 unbesetzte Lehrstellen registriert. Der Fachkräftemangel ist ein viel diskutiertes Thema. Und es ist abzusehen, dass sich das Ringen um qualifizierte Mitarbeiter weiter verschärfen wird, wenn Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben. Die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald sieht dringenden Handlungsbedarf. Ein Gespräch mit Präsident Klaus Hofmann und Hauptgeschäftsführer Jens Brandt.

Frage: Woran liegt der Rückgang bei den Ausbildungszahlen im Handwerk?

Klaus Hofmann: Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Die demografische Entwicklung ist einer davon. Aber ich denke, wir brauchen einen grundsätzlichen Anstoß zum Umdenken in der Gesellschaft. Die Möglichkeit einer Ausbildung rückt zu schnell in den Hintergrund gegenüber den akademischen Perspektiven. Dabei sind die Perspektiven im Handwerk sehr gut. Handwerk eröffnet ein breites Spektrum an Möglichkeiten sowohl für die Berufswahl als auch für Karriere und Weiterbildung.

Frage: Ist Handwerk für junge Menschen denn unattraktiv?

Jens Brandt: Das denke ich nicht. Es fehlt nur das Bewusstsein für die Chancen, die es bietet. Handwerk ist ein ganz entscheidender Wirtschaftsfaktor – auch in unserer Region. Wir haben 13.545 Handwerksunternehmen im Rhein-Neckar-Odenwald-Raum, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von 6,73 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Rund 86.600 Menschen arbeiten bei diesen Unternehmen – und es könnten noch mehr sein. Gerade auch jungen Menschen bietet das Handwerk beste Perspektiven für ihre berufliche Entwicklung.

Frage: Welche Perspektiven sind das?

Jens Brandt: Ein Beispiel ist die Tatsache, dass in den nächsten Jahren eine Vielzahl von inhabergeführten Handwerksbetrieben einen Nachfolger braucht. Bundesweit stehen in den kommenden fünf Jahren 125.000 Betriebe vor der Übergabe, viele davon auch in unserer Region. Und es ist längst nicht mehr so, dass es Nachfolger innerhalb der Familie gibt. Das bedeutet: Wer ins Handwerk geht, kann gezielt darauf hinarbeiten, sein eigener Chef zu werden und unter Umständen sogar einen funktionierenden, etablierten Betrieb übernehmen.

Klaus Hofmann: Dazu kommt, dass das Handwerk viele interessante Berufe bietet. Handwerk ist heute hochtechnologisiert. Es braucht nicht nur geschickte Hände, sondern auch kluge Köpfe. Im Handwerk kann man sinnvoll arbeiten, nachhaltig arbeiten, die Zukunft mitgestalten, helfen, Klimaziele zu erreichen – das sind alles Themen, die junge Menschen interessieren.

Frage: Trotzdem sinken ja die Ausbildungszahlen und es fehlen Fachkräfte. Was also tun?

Klaus Hofmann: Wir möchten den Austausch mit allen stärken, die das Thema Ausbildung betrifft: Schüler, Eltern, Lehrer, Auszubildende und vor allem auch die Betriebe. Gerade während Corona haben wir gemerkt, wie schwierig es wird, wenn der persönliche Kontakt abbricht. Vieles im Rahmen der Berufsorientierung war in den Jahren 2020 und 2021 für uns als Kammer nicht mehr möglich. Wir konnten nicht mehr an die Schulen gehen, die Werkstatttage in unserer Bildungsakademie entfielen. Es wurde also noch schwieriger, einander zu erreichen. Deshalb brauchen auch wir neue Formen, die wir jetzt mit einer Digital-Offensive erschließen. Zum Glück gab es noch die Kontakte der Agenturen für Arbeit, um den jungen Menschen wenigstens einen Überblick zum Thema Ausbildung zu geben.

Frage: Was beabsichtigen Sie zu tun?

Jens Brandt: Wir haben eine regionale Ausbildungskampagne unter dem Claim „Das isses!“ initiiert, die seit dem 21. April online ist. Dafür nutzen wir mit TikTok unter anderem einen jungen Kanal, um gezielt Schüler anzusprechen und lassen Auszubildende im Handwerk erzählen, was sie in ihren Beruf geführt hat. Es geht uns um eine direkte Ansprache auf Augenhöhe und um den regionalen Bezug. Gleichzeitig wollen wir dies mit allen Beteiligten rund um die Ausbildung weiterführen: also auch Eltern, Lehrer und Schulen, Betriebe und Auszubildende ansprechen – breit gestreut auf unterschiedlichen Wegen, einfach, direkt und immer zielgruppengerecht.

Frage: Wie soll der Bogen zwischen den verschiedenen Gruppen und Kanälen gelingen?

Klaus Hofmann: Der Claim „Das isses!“ und der Hashtag #entdeckedeineleidenschaft stehen übergreifend für die Aussage, dass Handwerk im Bereich der Ausbildung ein breites Feld bespielt und viele attraktive Möglichkeiten bietet. Beides taucht immer wieder auf – online wie offline. Wir haben unter www.handwerk-das-isses.de und www.entdecke-deine-leidenschaft.de eine begleitende Landingpage mit umfassenden Informationen für alle Zielgruppen. Und es gibt ein Das isses!-Mobil, das für Veranstaltungen genutzt wird – beispielsweise an Schulen. Die Kampagne soll lebendig sein, wachsen, immer wieder neue Eindrücke vermitteln und alle am Thema Ausbildung Beteiligten kontinuierlich begleiten.

Frage: Muss das Handwerk im Gesamten umdenken oder neue – mehr digitale – Wege gehen, um aus dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel zu kommen?

Jens Brandt: Es hilft, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich einem bieten. Das ist im Alltagsgeschäft für die Betriebe ganz sicher schwierig. Deshalb sehen wir „Das isses!“ als eine Initiative für das Handwerk, die im besten Fall auch den Handwerksbetrieben ein Dach bietet, unter dem sie sich präsentieren können. Es wäre im nächsten Schritt also gut denkbar, dass regionale Unternehmen unter diesem Claim ihre eigenen Geschichten erzählen, wenn sie das möchten. Wir gestalten diese Kampagne mit Herzblut und nicht, weil wir Kammer sind.

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