„Besonders gefährlich sind starke Blutungen“

Das Thoraxtrauma, die Schädigung des Brustkorbs, etwa nach einem Unfall, ist nach dem Schädel-Hirn-Trauma die zweithäufigste Todesursache bei Polytraumapatienten. Wie entsteht diese Form von Schädigung, welche Arten gibt es und vor allem – welche Chancen auf Heilung können in Betracht gezogen werden? Wir haben uns mit Sven Mautner, dem Ärztlichen Leiter der Zentralen Notambulanz am GRN-Zentrum Sinsheim, über dieses interessante Thema unterhalten.

Herr Mautner, wie entstehen im Allgemeinen Verletzungen des Brustkorbs?

Sven Mautner: Verletzungen des Thorax können auf vielfältige Weise entstehen. Neben schwersten Verletzungen wegen Verkehrsunfällen und Stürzen aus großen Höhen, können Patienten in Maschinen eingeklemmt oder angeschossen worden sein oder durch zum Beispiel einen Messerstich ein Thoraxtrauma erleiden. Aber auch der einfache Stolpersturz oder Anprall kann erhebliche Verletzungen des Thorax herbeiführen.

Welche Arten von Thoraxtraumata unterscheidet man und welche sind besonders kritisch hinsichtlich ihrer Heilungschancen?
Mautner: Auf den ersten Blick unterscheidet man, ob die Verletzung offen oder geschlossen ist. Uns Mediziner interessiert aber vielmehr, ob Organe betroffen sind und ob Blut oder Luft in Bereiche kommt, wo sie nicht hingehören. Im Brustkorb sind neben den beiden Lungenflügeln, das Herz, große Blutgefäße, die Speiseröhre, die Rippen und letztendlich ein großer Teil der Wirbelsäule mit dem Rückenmark. All dies kann durch ein Thoraxtrauma direkt oder in Folge der Verletzung lebensgefährlich oder nachhaltig geschädigt werden. Besonders gefährlich sind alle großen Blutungen oder Luft, die zwischen Rippenfell und Lunge gelangt (ein Pneumothorax). Davon gibt es zwei Arten — eine, bei dem einfach eine Lunge zusammenfällt und eine, die alles andere im Brustkorb zusammendrückt. Das heißt, ein banaler Rippenbruch kann wegen einer Durchspießung des Knochens ins Rippenfell, fatale Folgen haben oder einfach nur schmerzen.

Welche Symptome treten in der Regel, etwa nach einem Unfall, in den meisten Fällen auf?

Mautner: Die Symptome sind sehr unterschiedlich. Meist haben die Patienten Schmerzen im betroffenen Bereich. Sie können milde bis schwere Atemnot bekommen. Auch Kreislaufreaktionen sind typische Symptome.

Wie verläuft eine Diagnose bei einem Thoraxtrauma-Patienten?

Mautner: Alle Patienten müssen, je nach Schwere der Symptome, vom Arzt/Ärztin klinisch untersucht werden. Dazu gehört sich den Thorax anzuschauen, ob Dellen, Verschiebungen, Prellmarken zu sehen sind. Dabei erkennt man auch schwerwiegende Fehler beim Atemmuster und anhand der Hautfärbung, ob der Körper genug Sauerstoff zur Verfügung hat. Parallel werden EKG, Blutdruck und Sauerstoffsättigung gemessen und eine Notfallblutuntersuchung durchgeführt. Hoch akute Verletzungen, wie der Spannungspneumothorax oder Einblutungen am Herzen oder Lunge werden durch Abhören der Lunge und einem Notfallultraschall ausgeschlossen beziehungsweise dann auch sofort therapiert. Letztendlich gehört auch die Röntgen- und gegebenenfalls eine CT-Diagnostik zu einer kompletten Diagnosestellung.

Welche Maßnahmen müssen unbedingt und sofort eingeleitet werden?

Mautner: Wenn Patienten Sauerstoffbedarf haben, ist dies immer sofort in die Wege zu leiten. Bei einem Spannungspneumothorax muss sofort der Druck, also die Luft oder Blut, aus dem Spalt zwischen Rippenfell und Lunge entlastet werden. Herz, Blutgefäße und Lunge werden ansonsten zusammengequetscht und damit wäre ein Kreislauf mehr auf Dauer nicht zu erhalten. Akute große Blutungen müssen schnell operativ versorgt werden. In seltenen Fällen von Notärzten oder direkt in unserem Schockraum in der Zentralen Notambulanz.

Kommt ein Thoraxtrauma isoliert vor oder kann es auch zu Folge- respektive Begleitkomplikationen kommen?

Mautner: Thoraxtraumata können sowohl als Einzel-, als auch bei Mehrfachverletzungen entstehen. Bei Schwerstverletzten muss zwingend ein Thoraxtrauma adäquat ausgeschlossen werden. Das gehört zum Standartverfahren in unseren Schockräumen dazu.

Welche Risiken stehen einer erfolgreichen Rekonvaleszenz im Weg, welche Umstände können zu Komplikationen führen?

Mautner: Neben der akuten Gefahr durch Blutungen oder Zerreißungen von Herz, Blutgefäßen und Lunge, können auch Verletzungen der Wirbelsäule (Querschnittslähmungen) und Speiseröhre erhebliche Probleme verursachen. Blutverlust, Entzündungen aller Strukturen bis hin zum Lungenversagen ist alles erwartbar. Die größte Gefahr ist, dass ein Thoraxtrauma unterschätzt werden könnte. Deshalb legen wir bei der Ausbildung unseres Personals großen Wert darauf, immer den ganzen Menschen zu sehen und nicht nur eine kleine Verletzung.

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