Marina Tabassum Architects: In Bangladesh

Marina Tabassum gehört zu den herausragenden Architektinnen der Gegenwart. Sie hat zahlreiche internationale Preise gewonnen und an vielen Universitäten weltweit gelehrt. Ihr gebautes Werk ist jedoch bisher komplett in Bangladesch entstanden und daher außerhalb des Landes nur wenigen bekannt. Von 1995 an führte sie zunächst in Partnerschaft mit Kashef Chowdhury das Architekturbüro URBANA, 2005 gründete sie ihr eigenes Büro „Marina Tabassum Architects“ (MTA). Ihre Bauten reichen von Regierungsprojekten bis hin zum einfachen Wohnungsbau. Im Entwurfsprozess arbeitet Tabassum eng mit Studierenden und der lokalen Bevölkerung zusammen, immer auf der Suche nach einer zeitgemäßen, aber dennoch ortsgebundenen Architektursprache. Die treibenden Elemente in ihren Designkonzepten sind Klima, Kontext, Kultur und Geschichte.

Das südostasiatische Land Bangladesch und seine Baukultur sind stark durch die dynamische Wechselwirkung von Land und Wasser geprägt. Die häufig über die Ufer tretenden Flüsse gestalten den Boden immer wieder neu. Die Einwohner:innen Bangladeschs müssen sich seit jeher an die starken Naturgewalten anpassen; heute sind sie zudem die Leidtragenden des globalen Klimawandels, der ihre Lebensgrundlagen immer stärker bedroht. Diese Faktoren prägen Projekte und Forschung von Marina Tabassum ganz zentral. Die enge Verbindung von Mensch und Umwelt definiert daher auch die Gliederung der Ausstellung, die nach geografischen Gesichtspunkten aufgebaut ist:

Im ersten Raum werden die Projekte vorgestellt, die MTA auf dem Land realisiert hat – dort, wo das Wasser das Leben der Menschen auf besondere Weise bestimmt. Um die naturräumlichen Mechanismen zu erforschen, reist Tabassum mit ihrem Team aus jungen Architekt:innen und Studierenden immer wieder ins Delta, wo marginalisierte Gemeinschaften vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Für diese oft landlose, einkommensschwache Bevölkerungsgruppe hat MTA in den letzten zwei Jahren kostengünstige, mobile, modulare Bausysteme sogenannte „Khudi Bari“ (Kleines Haus) aus lokalen Materialien entworfen. Ihr gesellschaftliches Engagement hat sie auch auf das Schicksal der hunderttausenden Rohingya-Flüchtlinge ausgeweitet und Projekte in dem weltgrößten Flüchtlingslager Cox’s Bazar geplant und umgesetzt. 

Im zweiten Raum werden die Gebäude präsentiert, die an der urbanen Peripherie entstanden sind, das heißt in schnell wachsenden Gebieten, die sich zum Teil ohne planerische Kontrolle entwickeln. In diesen dichten Außenbezirken, in denen die soziale Gemeinschaft noch eine zentrale Rolle spielt, konnte MTA identitätsstiftende Projekte wie die Bait Ur Rouf Moschee realisieren. Denn das Gebäude dient nicht nur als Gotteshaus, sondern auch als Zufluchtsort in dem dichten Viertel. Marina Tabassum verzichtete in ihrem Entwurf bewusst auf die populäre Moschee-Ikonografie zugunsten eines geometrisch klar strukturierten Raum- und Lichtkonzepts. Für diesen herausragenden Bau erhielt sie 2016 den renommierten Aga Khan Award.

Der letzte Raum ist den Arbeiten in Dhakas City gewidmet, einem eng bevölkerten Stadtkern mit breiten Straßen und hohen Häusern. Hier ist die Architektin aufgewachsen und hat dort an der Universität für Ingenieurwissenschaften und Technologie Architektur studiert. Die gebauten und geplanten Projekte reagieren auf die repräsentativen Ansprüche und den ökonomischen Druck im Zentrum der Metropole. Alle Projekte werden durch Installationen, Filme, Fotos, Pläne und Illustrationen vorgestellt und ihr Kontext durch Texte näher erläutert.

Die Ausstellung „Marina Tabassum Architects: In Bangladesch“ ist weltweit die erste Gesamtdarstellung der Architektin in einem Museum. Ihr Ansatz aus lokaler Forschung, sozialem Engagement und Einbeziehung globaler Herausforderungen ist beispielhaft für die aktuellen Aufgaben der Architektur. Kuratiert wurde die Präsentation von Marina Tabassum und Vera Simone Bader.

Anlässlich der Ausstellung steht ein traditionelles Haus aus Bangladesch im Eingangsbereich der Pinakothek, das Marina Tabassum als Inspiration für ihre Projekte auf dem Land diente. Das aus Holzrahmen und Wellblech bestehende Bausystem, das einfach auf- und abbaubar ist, wurde auf dem lokalen Markt in Dohar gekauft. Die Bevölkerung nutzt Häuser wie dieses vor allem entlang der Flüsse Ganges und Bramhaputra, wo es häufig zu Überschwemmungen kommt. Wenn die Flussufer erodieren, werden nicht nur einzelne Häuser, sondern auch ganze Dörfer verlagert. Das Haus ist nur über Führungen zu besichtigen. Anmeldung unter: anmeldung@architekturmuseum.de

Zur Ausstellung erscheint das erste Buch über die Architektin. „Marina Tabassum Architecture: My Journey“ hg.: Cristina Steingräber mit Aufsätzen von Vera Simone Bader, Nondita Correa Mehrotra, Andres Lepik, Kareem Imbrahim, Tanzil Shafique, Danny Wicaksono und Marina Tabassum. (288 Seiten, über 200 Bilder, in englischer Sprache, ArchiTangle, Berlin)

Die Ausstellung wurde großzügig unterstützt durch PIN. Freund der Pinakothek der Moderne e.V. und den Freundeskreis Architekturmuseum TUM.

Kuratorinnen: Marina Tabassum und Vera Simone Bader 

Ausstellungsdesign: Marina Tabassum Architects 

Vortrags- und Begleitprogramm

Bereits am Donnerstag, 02.02.2023, 18.30 hält Marina Tabassum einen Vortrag im Oskar von Miller Forum, Oskar-von-Miller-Ring 25, 80333 München.

Ein zweiter Vortrag "Alles im Fluss: Architekturentwicklungen im Ganges-Delta“ von Niklaus Graber findet am Donnerstag, 23.02.2023, 18.30 im Ernst von Siemens-Auditorium der Pinakothek der Moderne statt.

Ausstellungsführungen
Donnerstag, 09.02.2023 mit Kuratorin Vera Simone Bader, 18.30–19.30

Donnerstag, 16.03.2023 mit Direktor Andres Lepik, 18.30–19.30

Bauworkshops mit Führung für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren

mit der Architektin Enrica Ferrucci / ichbaumit

PAPIERPALÄSTE, Sonntag 05.03.23, 26.03.23, 30.04.23

ĀLŌ, Sonntag 19.03.23, 23.04.23, 07.05.23, jeweils von 10.30 bis 13.00

Das Begleitprogramm wird großzügig unterstützt durch den Freundeskreis Architekturmuseum TUM und die Architektur Kultur Stiftung.

Weitere Informationen zur Ausstellung und dem Vortrags- und Begleitprogramm finden Sie auf der Museumswebsite unter www.architekturmuseum.de

MEDIENKONFERENZ: 08. FEBRUAR 2023, 11.00

Eröffnung: 08. FEBRUAR 2023, 19.00

LAUFZEIT: 09. FEBRUAR BIS 11. Juni 2023

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