Schlanke Wohnskulptur im Schindelkleid

In der Vorarlberger Gemeinde Alberschwende realisierten ARSP Architekten ein Wohnhaus für zwei Familien. Mit seiner Form und Materialität stellt es einen spannungsvollen Bezug zur regionalen Architekturtradition her.

Östlich von Bregenz und Dornbirn markiert die rund 3200 Einwohner zählende Gemeinde Alberschwende ein Eingangstor zum Bregenzerwald. Oberhalb des Dorfkerns bildet ein Ersatzneubau auf einem langgestreckten Wiesenhang den Schlussstein einer losen Wohnhausbebauung entlang einer privaten Stichstraße. Das in der Region beheimatete Büro ARSP Architekten errichtete hier im Auftrag zweier Brüder und ihrer Familien das „Haus M“, das sich von außen als zeitgenössische Interpretation lokaler Baukultur präsentiert. Innen entfaltet das schlanke, langgezogene Gebäude eine hochfunktionale, den Bedürfnissen der unterschiedlichen Parteien dienende Raumstruktur mit hohem stilistischem Wohnwert.

An der Stelle, wo sich heute der Neubau des Doppelhauses befindet, stand früher weithin sichtbar das „Haus Edelweiß“, ein in der Nachkriegszeit errichtetes Gebäude. Entlang der Zufahrtstraße südöstlich des Dorfzentrums kamen im Lauf der Jahrzehnte weitere Häuser hinzu, sodass sich die Lage mit vormals freier Sichtachse inzwischen zu einem kleinen Ortsteil verdichtet hat. Der Rückbau des Hauses Edelweiß war aufgrund seiner zuletzt baufälligen Substanz notwendig geworden. Die Bauherren beauftragten ARSP Architekten mit dem Neubau einer zwei unterschiedliche Lebenssituationen vereinenden Wohnstätte. Im Vergleich zur vorherigen Bebauung ist das nun länglich ausgebildete Volumen leicht zurückversetzt und so positioniert, dass sich zur Ortsmitte hin lediglich die schlanke Stirnseite zeigt.

Klare Gliederung mit unterschiedlichem Öffnungsgrad

Zur Straße präsentiert sich die Struktur kompakt und geschlossen. Hier verortet ist der gemeinsame Erschließungsbereich, der auf trapezförmiger Grundfläche an die dahinterliegenden Wohnebenen mit rechteckigen Grundrissen anschließt. Die Straßenseite und ihre zugehörigen drei Fassadenflächen werden durch eine tief in den Hang gegrabene Garagenzufahrt auf Untergeschossebene, einer flankierenden Freitreppe, die zum Eingangsbereich führt, sowie in südlicher Richtung von einem großen Fenster bestimmt.
An den schmalen Stirnseiten des Gebäudes sind kleinere Fensteröffnungen asymmetrisch verteilt. Zum westseitigen Wiesengrundstück öffnen sich die auf je einer Ebene verteilten Wohneinheiten über bodentiefe Fenster in unterschiedlichen Breiten weit hin zur Landschaft. Eine großzügige Terrasse und ein darüberliegender Balkon bilden die Freisitze der jeweiligen Wohnungen.

An die jeweiligen Lebens- und Wohnkonzepte angepasste Grundrisse

„Selbstverständlich entsteht ein perfekt abgestimmtes Haus nur im Zusammenspiel mit allen Beteiligten. Speziell beim Haus M waren die Wünsche der Geschwisterfamilien dabei sehr unterschiedlich, was sich im gesamten Entwurfsprozess widergespiegelt hat. Der vertrauensvolle Umgang mit uns als Planer*innen hat dazu geführt, dass die Wohnwelten jeweils kompromisslos und maßgeschneidert umgesetzt werden konnten,“ fassen die Architekten ihren Ansatz zusammen. Während die Erdgeschosswohnung für eine Familie mit mehreren Kindern geplant wurde, sollten im Obergeschoss Wohnräume für ein Paar samt Arbeits- und Gästezimmer entstehen.

Die Erschließungszone verläuft auf der Straßenseite über die gesamte Gebäudelänge. Daran angegliedert befinden sich die Wohnräume als Enfilade. Raum an Raum reiht sich an der lichtdurchfluteten Westseite. So entstehen spannungsvolle Raumbezüge und Durchblicke, die schließlich über die gezielt gesetzte Verglasung im landschaftlich reizvollen Außenraum münden. Das Haus M erlaubt grundsätzlich eine variable Raumnutzung, die sich nachträglich flexibel ändern und an die veränderten Bedürfnisse der Bewohner*innen anpassen lässt.

Formale Bezüge, regionaltypische Materialität

Die außergewöhnliche Kubatur folgt der funktionalen Gliederung im Inneren. Dabei stellt das flach geneigte Walmdach mit Aluminiumeindeckung einen Bezug zur vorherigen Bebauung her, während die gänzlich mit Holzschindeln aus Lärchenholz bekleidete Gebäudehülle der Tradition alpin-regionaler Baukultur folgt. Lediglich im Eingangsbereich sowie auf der Westseite bieten eine vertikale Holzlattung beziehungsweise Holzuntersichten eine wechselnde Fassadengestaltung. Die Konstruktion ist gänzlich in Massivbauweise mit aus Hochlochziegeln gemauerten Außenwänden und Betondecken ausgeführt. Die Dachkonstruktion, die in Ihrer Plastizität den oberen Wohnraum dominiert, ist in Holzbauweise ausgeführt.

Hochwertiger Minimalismus für Raumhülle und Ausstattung

Innen dominieren dezente Farben und Materialien, die den puristischen Gestaltungsansatz bestimmt fortführen. Parkettböden aus Eichenholz und warmweiße Wandoberflächen prägen das Bild im Erdgeschoss, während die Innenräume der Obergeschosswohnung von Möbeleinbauten und Wandoberflächen in geölter Weißtanne sowie einem flügelgeglätteten Estrichboden gerahmt sind. Konsequent ergänzt wird die reduzierte Architektur und die hochwertige Detailausführung durch eine durchdachte und effiziente Gebäudetechnik. Dazu gehört die Energiegewinnung für Heizung und Warmwasser über eine Erdwärmepumpe und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Bis auf ein innenliegendes Bad konnte auf Lüftungstechnik im Haus M verzichtet werden.

Daten + Fakten

 

Projekt: Haus M
Standort: Hof 415, 6861 Alberschwende (AT)
Auftraggeber: privat
Architektur: ARSP Architekten, Dornbirn/Innsbruck/Stuttgart,
www.arsp-architekten.eu
Tragwerksplanung: planDREI Statikbüro ZT GmbH, Andelsbuch (AT)
Bauleitung: ARSP Architekten
Landschaftsplanung: ARSP Architekten
Bauphysik: FPlan, Au (AT)
Lichtplanung: Bernd Nagel, Dornbirn (AT)
Fertigstellung: 2018

Ausführende Firmen (Auszug):
Hoch- und Tiefbau: Oberhauser und Schedler, Andelsbuch
Installateur (HSL): Siegfried Steuer, Bersbuch
Elektroinstallation: Elektro Stark, Wolfurt
Holzbau: Der Holzbauer, Andelsbuch
Dachdecker: Baldauf, Doren
Fenster: Flatz Fensterbau, Alberschwende
Estrich / Sichtestrich: Vigl & Strolz, Schnepfau
Tischlerarbeiten: Valentin Winder, Alberschwende
Malerarbeiten: Manuel Bereuter, Alberschwende
Schlosserarbeiten: Peter Figer, Bezau
Möbel: Mohr Polster, Andelsbuch
Ofenbau (Kamin): Peter Henn, Nüziders
Innenarchitektur Farbkonzept: Monika Heiß Farbdesign, Dornbirn

Über die ARSP Ziviltechniker GmbH

ARSP ist eine Architekten-Partnerschaft, die aktuell Studios in Dornbirn, Innsbruck und Stuttgart betreibt. Die Keimzelle des Kollektivs liegt im österreichischen Vorarlberg, wo 2013 das Büro ARSP Architekten gegründet wurde. Das Büro steht in direkter Nachfolge des Büros OLK / Rüf ZT GmbH. Heute führen ARSP Architekten partnerschaftlich und kollaborativ die Architektinnen und Architekten: Frank Stasi, Rike Kress, Matthias Maier, Stefan Robanus und Maren Kröller.

Im internationalen Netzwerk und in agilen eigenständigen Teams organsiert, bearbeiten ARSP Architekten unterschiedliche Bautypologien, vornehmlich Wohnbauten, Öffentliche Bauten wie Schulen und Kindertagesstätten, Restaurants und Hotels. Auch über die Grenzen Europas hinaus sind ARSP Architekten aktiv: Sie haben den Compound der Deutschen Botschaft in Kabul, Afghanistan umgeplant und bauen aktuell ein Wirtschaftsgebäude in Gao, Mali (Sahel); beides Maßnahmen mit extrem hohen Sicherheitsanforderungen.

Im Mai 2022 wurde die Revitalisierung und Erweiterung der Pädagogischen Hochschule Tirol in Innsbruck eröffnet, für die ARSP Architekten verantwortlich zeichnet – Österreichs größte Schulbaustelle. An diesem und an vielen anderen Projekten zeigen ARSP ihre zukunftsgewandte Haltung, Bestand wo möglich zu erhalten, Bausubstanz zu revitalisieren und innerstädtisch nachzuverdichten.

Die Arbeiten von ARSP Architekten wurden vielfach ausgezeichnet: German Design Award, Häuser des Jahres Award, BIG SEE Award, Design Week Award, Best of the Year Award, Ecola Award, American Architecture Prize u.e.a.

www.arsp-architekten.eu

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A6850 Dornbirn
Telefon: +43 (5572) 394969
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bering*kopal, Büro für Kommunikation
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