Folge der Unterfinanzierung: Mandel- und Mittelohr-OPs seit Jahren stark rückläufig

Die Zahl der ambulanten HNO-Kinderoperationen ist seit Jahren rückläufig. Dies belegen aktuelle Abrechnungsdaten verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen. Zwischen 2019 und 2022 sank die Leistungsmenge zum Teil drastisch um bis zu 75 %. Auch die Anzahl der HNO-Operateure, die ambulante Kinderoperationen anbieten, geht zurück. „Die Ursache liegt in der chronischen Unterfinanzierung des ambulanten Operierens. Bei allerorts steigenden Kosten sind immer weniger HNO-Ärztinnen und -Ärzte in der Lage, Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern kostendeckend anzubieten“, so Priv.-Doz. Dr. Jan Löhler. Die Folge zeige sich in den bundesweit monatelangen Wartezeiten auf einen OP-Termin. „Wenn Politik und Krankenkassen sich weiterhin weigern, den Protest der HNO-Ärzte als Hilferuf anzuerkennen und eine gemeinsame Lösung zu finden, wird es bald kaum noch ambulante HNO-Kinderoperationen geben“, warnt der Präsident des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte.

Aktuelle Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen illustrieren den Versorgungsnotstand in der HNO-Kinderchirurgie. In Hamburg ging die Zahl der Eingriffe binnen drei Jahren um 75,8 % zurück (von 347 in 2/2019 auf 84 in 2/2022). Operierten 2019 noch 50 HNO-Ärzte in der Hansestadt, waren es 2022 nur noch 20 Operateure, die die Leistungen anboten. In Bayern fiel die Gesamtzahl der HNO-Eingriffe bei Kindern von 2/2019 auf 2/2022 um 31,5 % (von 2.412 auf 1.653). Die Anzahl der operierenden Ärzte dieser Leistungen reduzierte sich um 21,6 % (von 268 auf 210). Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin zeigen für den Zeitraum von 2019 bis 2022 einen Rückgang der ambulant operierenden Vertragsärzte um 55,2 % (für N1-Eingriffe, von 183 auf 91) bzw. 50,3 % (für N2-Eingriffe, von 216 auf 104). Wurden im Saarland im 2. Quartal 2019 noch 177 Eingriffe erbracht, sank der Wert im 2. Quartal 2022 auf 88 Operationen (-50,3 %). Von ehemals 14 Operateuren (2019) erbrachten 2022 nur noch 7 diese Leistungen.

Auch in Baden-Württemberg lässt sich der Versorgungsnotstand am Rückgang der OP-Zahlen ablesen. Hier sank die Fallzahl der ambulanten HNO-Kinderoperationen von 2.188 (2/2019) auf 1.038 (2/2022), was einem Rückgang um 52,7 % entspricht. Die Anzahl der Operateure in diesem Leistungsbereich ging von 177 auf 126 HNO-Ärzte (-28,8 %) zurück. In Hessen sank die Gesamtzahl der erbrachten HNO-Kindereingriffe von 1.078 im 2. Quartal 2019 auf 766 Operationen im 2. Quartal 2022 (-28,9 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich in Rheinland-Pfalz. Während in 2/2019 noch 1.737 N1- und N2-Operationen von HNO-Ärzten durchgeführt wurden, waren es in 2/2022 nur noch 1.320 Eingriffe dieser Kategorien (-24,0 %).

Die Zahlen umfassen die Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) für die Tonsillotomie, die Adenotomie sowie die Myringotomie (Parazentese), die in Kombination mit den Ziffern des EBM-Kapitels 31.2 (HNO-Chirurgische Eingriffe, ambulant) erbracht worden sind. Als Vergleichszeitraum wurden jeweils das 2. Quartal 2019 und 2022 ausgewertet. Damit sind die pandemiebedingten Einbrüche bei elektiven Operationen der Jahre 2020 und 2021 ausgeklammert.

Mit den Daten liege nun eine valide Bewertung der desaströsen Versorgungssituation auf dem Tisch, unterstreicht Verbandspräsident Löhler: „Was für die Kolleginnen und Kollegen längst spürbar war, zeigen die Daten überdeutlich. Aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen finden sich immer weniger Operateure, die die defizitäre HNO-Kinderchirurgie anbieten. In der Folge verteilt sich die Versorgung auf immer weniger Ärzte, was die Lage noch weiter verschärft.“

Unter den Folgen leiden die Patienten und ihre Familien, so Löhler weiter. So sei der Paukenerguss mit möglichen kurz- und langfristigen Folgeerscheinungen ein Risikofaktor in der kindlichen Entwicklung. Möglich seien negative Auswirkungen auf die Innenohrleistung, die auditive Verarbeitung, die Sprach- und Sprechentwicklung, die Schulreife, den Lese- und Schriftspracherwerb, die akademischen Leistungen, die soziale Kompetenz, das psychosoziale Wohlbefinden und die Lebensqualität. Ähnliches gelte für vergrößerte Gaumen- und Rachenmandeln. Die Folge hier: Atemstörungen mit Atemaussetzern, Schlafstörungen, behinderte Nasenatmung und verschlechterte Belüftung der Mittelohren, was wiederum zur Hörminderung oder zu Mittelohrentzündungen führen könne.

Die beschriebenen Zustände seien der Anlass für den OP-Protest und nicht etwa Folge der Aktion, unterstreicht Löhler: „Wer behauptet, die HNO-Ärzte würden die Kinder für pekuniäre Interessen leiden lassen, verkennt die wahren Gründe des Problems und fällt auf den Populismus der Krankenkassen rein. Der Protest ist das letzte Mittel, die Verantwortlichen in Politik und GKV wachzurütteln und das schleichende Sterben der ambulanten HNO-Kinderchirurgie zu stoppen.“ Die Krankenkassen seien aufgefordert, sich mit den HNO-Ärzten an einen Tisch zu setzen und eine gemeinsame Lösung des Problems zu suchen. „Voraussetzung für ernsthafte Verhandlungen ist, dass die wüsten Anschuldigungen und dreisten Falschbehauptungen ein Ende haben“, betont Löhler. Für konstruktive Gespräche stehe man jederzeit zur Verfügung.

Der HNO-Berufsverband und die HNO-Fachgesellschaft haben eine Online-Petition zum Erhalt der ambulanten HNO-Kinderchirurgie gestartet. Die Petition kann unter https://chng.it/mm5RXHHK oder den QR-Code mitgezeichnet werden:

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