Geplantes Kinderlebensmittel-Werbegesetz ist ein Dammbruch

Im Rahmen der Jahrestagung des Lebensmittelverbands Deutschland haben Opposition und Rechtswissenschaft deutliche Kritik am geplanten Kinderlebensmittel-Werbegesetz (KWG) geäußert. Steffen Bilger, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, nannte es eine Mogelpackung, da das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) den Anschein erwecke, es wolle lediglich die Werbung für Lebensmittel, die sich an Kinder richten, unterbinden: "Aber wer sich den Referentenentwurf anschaut, der erkennt sofort: Es geht um weit mehr. Es geht um großräumige Werbeverbote für den halben Einkaufswagen. Es geht um den staatlich verordneten Einkaufszettel," so Bilger, der dies als "paternalistisches Bevormundungsdenken" bezeichnete.

Professor Dr. Martin Burgi, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht der Ludwig-Maximilians-Universität München sprach von einem beispiellosen Vorgehen des BMEL und einem Dammbruch: "Erstmals soll ein Werbeverbot für Produkte, deren Herstellung und Vertrieb in keiner Weise verboten ist und die als solche auch nicht gesundheits- oder lebensgefährdend sind, implementiert werden, auch für Werbung, die an Erwachsene adressiert ist. In vergleichbarer Weise könnte in Zukunft beispielsweise auch Werbung für Flugreisen oder für bestimmte Sportarten verboten werden." Burgi monierte, dass der aktuell vorliegende Referentenentwurf massive Einschränkungen der Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheiten vorsehe, die dafür notwendige wissenschaftliche Grundlage aber fehle: "Solange das BMEL keine belastbaren und nachvollziehbaren Anhaltspunkte liefert, dass Werbeverbote tatsächlich zu weniger Übergewicht bei Kinder führen, ist ein derart massiver Eingriff auf dem Boden unserer Verfassung und des Europarechts nicht möglich." Stattdessen würde das Ministerium "ins Blaue hinein" entscheiden und auf Basis einer bloß gefühlten und bislang nicht belegten Gefahr weitreichende Freiheitsbeschränkungen vornehmen. Außerdem würde der Gesetzentwurf die Schutz- und Förderfunktion der Eltern komplett ausblenden.

In seinem Gutachten, dass Martin Burgi im Auftrag des Lebensmittelverbands und des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft erstellt hat, übt der Rechtswissenschaftler nicht nur Kritik, sondern zeigt auch Lösungswege für den Staat auf, um die vielfältigen und wissenschaftlich belegten Ursachen für Übergewicht anzugehen, ohne Eingriffe in Grundrechte Dritter vorzunehmen: "Kinder verbringen heute ab dem frühen Alter einen Großteil des Tages in unmittelbar staatlich beherrschten Aktionsräumen, wie zum Beispiel Kitas und Schulen. In diesen Räumen kann der Staat das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Kinder weitgehend gestalten und beispielsweise für ausgewogene Ernährung und ausreichende Sportmöglichkeiten sorgen." Erst wenn der Staat die Möglichkeiten innerhalb der eigenen Aktionsräume ausgeschöpft habe und feststelle, dass weiterer Handlungsbedarf bestehe, dürfe er in die Freiheiten Dritter eingreifen.

Das Gutachten mit dem Titel "Werbeverbote für Lebensmittel aufgrund ihres Zucker-, Fett- oder Salzgehalts als Eingriffe in die Kommunikations-und Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union" sowie eine Kurzfassung stehen zum Download unter: https://www.lebensmittelverband.de/… zur Verfügung.

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