Die Gedenkstätten Leistikowstraße Potsdam und Lieberose-Jamlitz gehören seit heute zur Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Mit dem Inkrafttreten der Fünften Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts „Brandenburgische Gedenkstätten“ gehören die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam und die Gedenkstätte Lieberose-Jamlitz ab heute zur Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Als größte Einrichtung ihrer Art in Deutschland betreut die Stiftung nunmehr sieben Gedenkstätten, die sich an historischen Orten der NS-Verbrechen sowie von Unrecht und Gewalt in der Zeit der SBZ/DDR befinden, wobei die Gedenkstätten Sachsenhausen, Zuchthaus Brandenburg-Görden und Lieberose-Jamlitz mit beiden historischen Phasen verbunden sind.

Mit der Aufnahme von zwei weiteren Gedenkstätten werden die Beratungsgremien der Stiftung personell erweitert. Der Beirat, dem Opferverbände und zivilgesellschaftliche Organisationen angehören, wird künftig 25 Mitglieder und die wissenschaftliche Fachkommission zwölf Mitglieder haben, die jeweils für vier Jahre berufen werden. Darüber hinaus können die Leitungen der Gedenkstätten Arbeitsgruppen bilden, in denen ortsspezifische Fragen diskutiert werden.

Stiftungsdirektor Axel Drecoll: „Wir freuen uns, dass nach einer längeren Vorbereitungsphase die Erweiterung der Stiftung nunmehr vollzogen ist. Ich danke allen Beteiligten für die vertrauensvollen und konstruktiven Gespräche, die zu diesem Ergebnis geführt haben. Dieser Dank gilt neben der Landesregierung vor allem dem Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein und der Evangelischen Kirchengemeinde Lieberose-Land, die jetzt die von ihnen maßgeblich mitbetriebenen Gedenkstätten in der Potsdamer Leistikowstraße und in Lieberose-Jamlitz in die Hände der Stiftung übergeben haben. Mit beiden Partnern werden wir auch in Zukunft eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Während es in der Gedenkstätte Leistikowstraße darum geht, die bewährte Arbeit innerhalb der Strukturen unserer Stiftung fortzusetzen, gilt es in Lieberose-Jamlitz, den begonnenen Prozess zum Ausbau der Gedenkstätte in Kooperation mit Akteuren vor Ort fortzusetzen. Die Erweiterung der Beratungsgremien resultiert zum einen aus der Integration zusätzlicher Gedenkorte. Zum anderen ist sie aber auch ein Signal, dass die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen weiter ausgebaut werden soll, denn nachhaltige Gedenkstättenarbeit ist ohne zivilgesellschaftliche Verankerung nicht denkbar. Insgesamt wird in der Neufassung der Errichtungsverordnung der Stellenwert von Kooperation und Vernetzung gestärkt, was angesichts eines Erstarkens von Rechtsextremismus, Populismus und Geschichtsrevisionismus ein wichtiges politisches Signal darstellt. Mit dem Ende letzten Jahres gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu Berlin gestarteten Projekt „Netzwerk Zeitgeschichte“ wollen wir Austausch und Zusammenarbeit zwischen Gedenkstätten, Wissenschaft, lokalen Geschichtsinitiativen und Zivilgesellschaft stärken.“

Kulturministerin Manja Schüle: „Vom ehemaligen KZ-Außenlager Lieberose ist heute nur noch wenig zu sehen. Aber es reicht aus, um zu berühren. Es reicht aus, um die brutalen und menschenverachtenden Lebens- und Arbeitsbedingungen des NS-Lagers zu vermitteln. Es reicht aus, um zu zeigen, dass an diesem Ort im Februar 1945 mehr als 1.300 jüdische Häftlinge brutal ermordet wurden – der größte Massenmord an Juden außerhalb der Hauptlager in Brandenburg. Und es reicht aus, um deutlich zu machen, was geschieht, wenn einer Gesellschaft Toleranz, Empathie und Zivilcourage verloren gehen. Diese Sichtbarkeit müssen wir erhalten, ausbauen, schützen. Das gilt auch für das ehemalige Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes in der Potsdamer Leistikowstraße. Deswegenist der heutige Tag, an dem diese beiden Gedenkstätten offiziell Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten werden, ein wichtiger Tag. Ein Vergessen ist damit nicht mehr möglich – ebenso wenig ein Übersehen, ein Verleugnen, ein Kleinreden der Verbrechen.“

Die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße befindet sich am historischen Ort des ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnisses der sowjetischen Militärspionageabwehr. Im Sommer 1945 beschlagnahmte der sowjetische Geheimdienst das einstige Pfarrhaus und baute es zu einem Gefängnis um, das bis heute in beklemmender Authentizität erhalten ist. Bis zur Auflösung des KGB 1991 hielt er hier tausende Männer und Frauen fest. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt waren neben Sowjetbürgern auch viele Deutsche inhaftiert, ab 1955 ausschließlich sowjetische Militärangehörige und Zivilisten. Die Zahl der Häftlinge ist bis heute unbekannt.

1994 erfolgte die Rückgabe des Gebäudes an den Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein. Damit begann ein breites zivilgesellschaftliches Engagement zum Erhalt des einstigen Gefängnisses als Gedenkstätte. 2008 wurde die Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße gegründet, die von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten treuhänderisch verwaltet wurde. Seit 2012 informiert in den Räumen des ehemaligen Gefängnisgebäudes eine Dauerausstellung über die Geschichte des Hauses. Im Mittelpunkt stehen die Schicksale der Häftlinge, die hier unter unmenschlichen Bedingungen eingekerkert wurden.

Im Außenlager Lieberose des KZ Sachsenhausen in Jamlitz waren zwischen 1943 und 1945 rund 10.0000 überwiegend jüdische Häftlinge inhaftiert, die unter mörderischen Bedingungen beim Aufbau des SS-Truppenübungsplatzes „Kurmark“ Zwangsarbeit leisten mussten. Arbeitsunfähige wurden nach Auschwitz deportiert. Bei der Räumung des Lagers erschoss die SS Anfang Februar 1945 in einem zweitägigen Massaker mehr als 1.300 Häftlinge. 1945 richtete der sowjetische Geheimdienst NKWD in den Baracken das Speziallager Nr. 6 Jamlitz ein, in dem bis 1947 mehr als 10.000 Personen inhaftiert waren.

Seit 2003 befindet sich am historischen Ort eine Freiluft-Ausstellung zur Geschichte beider Lagerphasen. 2009 wurde in einer ehemaligen Kiesgrube in der Nachbargemeinde Schenkendöbern ein jüdischer Friedhof eingeweiht. Hier waren in den 1950er und 1970er Jahren die sterblichen Überreste von insgesamt rund 600 Opfern des Massakers vom Februar 1945 gefunden worden. Bei der Suche nach einem weiteren Massengrab konnte der Bereich der „Schonungsblocks“ als Tatort nachgewiesen werden. Hier wurde 2018 ein neuer Gedenkort angelegt

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