Der BDP sieht in einer zielgerichteten sowie verantwortungsbewussten Nutzung und Verknüpfung von Gesundheitsdaten enormes Potenzial für die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Die beiden Digitalgesetze der Bundesregierung werden daher grundsätzlich begrüßt. „Zielgerichtet“ und „verantwortungsbewusst“ sind dabei Kernelemente, denen im Falle hochsensibler medizinischer Diagnosen durch die Pathologie eine zentrale Bedeutung zukommt.
Laut aktuellem Entwurf des GDNG sollen Kranken- und Pflegekassen ihren Versicherten auf Grundlage eigener datengestützter Auswertungen entsprechende Erkenntnisse mitteilen und Empfehlungen bei identifizierten Gesundheitsgefährdungen aussprechen dürfen, unter anderem bei der „Erkennung von Krebserkrankungen“, wie § 25b Absatz 1 Satz 2 explizit ausweist.
Krankenkassen leisten im Bereich der Versorgungsforschung durch die Erhebung und Verwendung ihrer Daten einen essenziellen Beitrag für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung. Allerdings birgt die im GDNG vorgesehene Quasi-Übertragung (fach-)ärztlicher Leistungen auf die Kranken- und Pflegekassen in Form von Individualanalysen aus Sicht des BDP schwerwiegende Risiken für das Wohl von PatientInnen. Zwei Aspekte sollen hier vornehmlich genannt werden.
1. Ein etablierter Standard wird ausgehebelt
Gesundheitsuntersuchungen, die im vierten Abschnitt SGB V (§ 25, § 26) definiert sind, erfordern für eine erfolgreiche Implementierung ein Antrags- und Beratungsverfahren beim G-BA. Der Nutzen der Untersuchung ist mit aussagefähigen Daten zu belegen, die Qualität muss kontinuierlich dokumentiert werden. So wird die Behandlungs- und Versorgungsqualität für die PatientInnen maßgeblich gesichert. Die Einfügung des neuen § 25 b ohne Verweis auf dieses bewährte Procedere legt den Schluss nahe, dass Kranken- und Pflegekassen ohne ein entsprechendes Verfahren beim G-BA datengestützte Gesundheitsempfehlungen aussprechen dürfen. Der etablierte Standard wird so ausgehebelt.
2. Krankenkassen haben nie das volle Bild
Die Mitteilung einer medizinischen Information zu einem konkreten und schwerwiegenden Gesundheitsrisiko – wie es bei seltenen und Tumorerkrankungen i.d.R. der Fall ist – erfordert zwingend eine zielgerichtete und verantwortungsbewusste Konsequenz – in Form geeigneter ärztlicher Aufklärung. Diese Leistung kann nur von (Fach-)ÄrztInnen erbracht werden, meist auf Grundlage der zuvor gesicherten Diagnose von PathologInnen. Die reine Mitteilung einer medizinischen Information ist wertlos, wenn dieser kein adäquater Lösungsansatz gegenübersteht. Sie ist vielmehr schädlich, weil sie zu einer (unnötigen) Verunsicherung und zu Alarmismus bei den PatientInnen führt.
Die Aufnahme eines neuen § 25 b in das SGB V birgt im Mitteilungsfall erhebliches Schadenspotenzial durch die Verunsicherung von Versicherten und die psychische sowie physische Belastung durch Abklärungsmaßnahmen. Demgegenüber steht keinerlei Evidenz für einen möglichen Nutzen – denn dieser muss nach der angedachten Regelung nicht nachgewiesen werden. Der BDP plädiert – ebenso wie u.a. die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) in ihrer Stellungnahme vom 11.10.2023sowie Prof. Dr. med Jürgen Windeler in seiner Analyse vom 20.09.2023– für eine ersatzlose Streichung dieses Regelungsvorschlages.
Dazu passend: Mit Blick auf das zweite Digitalisierungsvorhaben, das Digital-Gesetz, hat der BDP bereits kritisch angemerkt, dass die Integration von pathologischen Befunden in die elektronische Patientenakte (ePA) zwingend durch den behandelnden Arzt bzw. die behandelnde Ärztin erfolgen sollte, nicht durch PathologInnen (den Link zur Pressemitteilung vom 20.10.2023 finden sie hier). Diagnosen aus der Pathologie sind – insbesondere im stark zunehmenden Bereich der Krebsmedizin – hochsensibel, sodass diese vor Einstellung in die ePA einer speziellen Erläuterung und Kontextualisierung durch den behandelnden Arzt gegenüber dem Patienten bedürfen. Die nun für das GDNG wiederholte Forderung eines zielgerichteten und verantwortungsbewussten Umgangs mit sensiblen Gesundheitsdaten fügt sich nahtlos an.
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