In den USA ist es seit Jahren Gepflogenheit, unabhängige Expertinnen und Experten in Aufsichtsgremien VC- & PE-finanzierter Portfoliounternehmen zu berufen. Manche glauben sogar, dass diese Konstellation ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Ländern darstellt und zum Erfolg von US-Unternehmen beiträgt. In Deutschland war eine solche Praxis in der Vergangenheit weniger gängig. Allerdings findet inzwischen ein Umdenken statt. Sowohl Finanzinvestoren als auch Unternehmen zeigen sich zunehmend offen für diese Art der Partizipation.
Zunächst gibt es die Unternehmensführung betreffend einen großen Unterschied zwischen den USA und Deutschland: Dem amerikanischen „monistischen“ Board of Directors, einem Einzelgremium (entspricht einem Verwaltungsrat), stehen in deutschen Aktiengesellschaften Management Board und Aufsichtsrat als Kontrollgremien gegenüber. Der Aufsichtsrat kontrolliert das Management, sanktioniert den Jahresabschluss und legt die Incentives für die Operativen fest. Obwohl er auch mittelbar zur Unternehmensstrategie beiträgt, ist dies im Wesentlichen Aufgabe des Vorstands bzw. Managements. Vermögensverwaltenden Finanzinvestoren ist es zudem untersagt, auf operative Belange direkt einzuwirken.
Gesammeltes Know-how an einem Tisch
Das US-amerikanische Board of Directors dagegen besteht sowohl aus operativem Management wie auch Investoren und externen Expertinnen oder Experten, auch „Independent Directors“ genannt. Es bestimmt die Strategie des Unternehmens, trifft sich häufig (zehn reguläre Sitzungen pro Jahr sind gängig) und versammelt quasi das gesamte Know-how des Unternehmens um einen Tisch – eben das „Board“.
Experten sind in der Regel ehemalige (oder operative) C-Level-Manager aus dem Industriesegment des Portfolio-Unternehmens. Für den Abgleich der Interessen sorgt die Incentivierung der Independent Directors durch Optionen oder auch durch eine Finanzbeteiligung. Diese sind oft vermögend und können auch größere Summen investieren. Wer das Board besetzt, wird allerdings in der Regel nach potenziellem Beitrag zum Portfoliounternehmen unterschieden, weniger nach Kapitaleinsatz. Aufsichtsratsmandate in kleinen Technologiefirmen werden durchschnittlich mit 15k im Jahr für einfache Mitglieder und 25k für den Vorsitzenden vergütet. Zusätzlich können noch Optionen an Experten verteilt werden – der Prozentsatz ist vergleichbar mit leitenden Angestellten der zweiten Ebene als Funktion des Beitrags des Experten.
Die Beteiligungsgesellschaft Marondo Capital fokussiert sich auf technogische Wachstumsunternehmen in Deutschland und hat seit ihrem Bestehen in neun IT-Unternehmen investiert. Sie praktiziert den US-amerikanischen Ansatz seit kurzem und hat dafür zwei ausgewiesene Koryphäen in ihren Expertenbeirat aufgenommen: Prof. Markus Schwarz, 26 Jahre lang bei SAP in Managementpositionen, und Dr. Ralf Brunner, über 30 Jahre bei mehreren internationalen IT- Dienstleistern, zuletzt bei Atos. Diese geben nun ihre Erfahrungen an Marondo-Portfoliounternehmen weiter.
Corporate-Governance-Probleme und fehlende Fachexpertise
Markus Schwarz war mehrere Jahre Aufsichtsrat bei Datavard, einem ehemaligen Portfolio- Unternehmen von Marondo. Ralf Brunner hat derzeit zwei Beratungsmandate in IT-Unternehmen, einem Start-up in Tübingen und einem Mittelständler in Stuttgart. Darum gebeten wurde er jeweils durch die Gründer. „Bei dem Mittelständler war der Gründer in den 60ern und möchte seine Nachfolge regeln“ erzählt er. „Er hat klar erkannt, dass es in seinem Unternehmen Corporate-Governance-Probleme gibt. Darüber hinaus fehlte ihm Fachexpertise, insbesondere in Bezug auf die Etablierung neuer Geschäftsmodelle und die Aufstellung des Unternehmens hinsichtlich Cyber-Security. Ich war der Meinung, dass ich aufgrund meiner Erfahrung zu beiden Problemkreisen beitragen kann.“
Markus Schwarz: „Das Thema Digitale Transformation bewegt mich seit vielen Jahren, deshalb habe ich mich bei Datavard engagiert. Nach meiner Berufung zum Hochschulprofessor wollte ich weiter mit der IT-Industrie verbunden bleiben, in der ich meine gesamte Karriere verbracht hatte. Natürlich gab es auch Zweifel, was man in der Funktion beitragen kann. Ich war ja zuvor in leitender Position bei SAP tätig gewesen, schon von der Dimension her ein signifikanter Unterschied. Wie könnte das Miteinander mit den anderen Gremienmitgliedern in der Praxis ablaufen, wie kann man tatsächlich seine Expertise einbringen?“
Bisherige Geschäftsmodelle müssen angepasst werden
Ein Frühstücks-Direktor, der lediglich auf der Webseite oder dem Briefpapier in Erscheinung tritt, wollte Markus Schwarz ausdrücklich nicht sein. Der ehemalige SAP-Manager erkennt gegenwärtig eine klare Professionalisierung kleiner Technologieunternehmen. Während die Jahre von 1980 bis 2000 als „ruhiges Fahrwasser“ gelten, sei die Phase ab der Jahrtausendwende geprägt von starken Umwälzungen, Stichworte Cloud, Cyber-Security und in jüngster Zeit KI. Dies erfordere ein Überdenken und meistens auch eine Anpassung der bisherigen Geschäftsmodelle.
Viele kleine Tech-Unternehmen in Deutschland sind getrieben von einem Eigentümer, der sein Unternehmen in den letzten 20 Jahren – manchmal entgegen allen Widrigkeiten – hochgezogen und die ersten 10/20 Mio. Umsatz gemacht hat. Eine stolze Leistung, die aber oft die Einsicht vernebelt, dass eben doch Hilfe von außen nötig sei, für die Skalierung des Geschäftes ebenso wie für ein Verständnis der neuen technologischen Trends.
Damit eine solche Zusammenarbeit funktioniert, braucht es eine aufgeschlossene Haltung über dem Externen. Sie manifestiert sich für beide Seiten in einem Zeitinvestment. Der CEO muss den Zugriff auf die 2. Managementebene zulassen und den Austausch fördern. Dabei geht es nicht um Einmischung ins operative Geschäft. So kann ganz konkret zum Beispiel das Sales- & Marketing-Team bei der Ausarbeitung eines Partnerprogramms gecoached werden.
Die Welle der Hinzunahme externer Koryphäen in Deutschland scheint losgetreten, untermauert durch den Veränderungsdruck in der Industrie. Die Gründungsgeneration hat erkannt, dass es zusätzliche Expertise braucht, um den nächsten Schritt zu machen und angesichts neuer technologischer Herausforderungen wettbewerbsfähig zu bleiben. Ziel muss es sein, am Ende bessere Unternehmen zu bauen, wie in den USA.
Der Autor
Marko Maschek ist Mitgründer und Partner der Beteiligungsgesellschaft Marondo Capital, die sich auf technogische Wachstumsunternehmen in Deutschland fokussiert und seit Bestehen in neun Software- und IT- Unternehmen investiert hat.
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