Der Geschäftsführer als Arbeitnehmer

Die Frage, wie das Anstellungsverhältnis von Geschäftsführern rechtlich einzuordnen ist, betrifft beide Seiten gleichermaßen. Das Thema ist einem ständigen Wandel unterworfen und ohne hinreichende Kenntnis ist es keiner Seite möglich, Vertragsverhandlungen seriös zu führen. Müssen Sozialabgaben geleistet werden? Können sich Geschäftsführer auf Arbeitnehmerschutzrechte berufen?

Ein kurzer Überblick über die aktuelle Lage mit Rechtsanwalt Dr. Philip Rödiger kann Transparenz schaffen und Orientierung geben. Zudem stellt der Online-Gesetzeskommentar unter GmbHG.Kommentar.de ein entsprechendes Dienstvertrag-Muster zur Verfügung.

In Deutschland gab es im Dezember 2023 über 800.000 Kapitalgesellschaften. Jede GmbH oder UG hat mindestens einen Geschäftsführer, so dass es über 1 Million Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften in Deutschland geben wird. Das durchschnittliche Jahresgehalt – einschließlich Bonus – variiert stark von Branche zu Branche und liegt zwischen 160.000 und 260.000 €. In einigen Fällen kann die Vergütung auch deutlich höher liegen. Völlig unabhängig von der Gehaltsgruppe stellt sich dabei allen Geschäftsführern gleichermaßen die Frage nach der rechtlichen Einordnung ihres Anstellungsverhältnisses.

Kündigungsschutz des § 14 KSchG

Aus § 14 Absatz I 1 KSchG lässt sich schließen, dass Geschäftsführer im Gegensatz zu Arbeitnehmern keinem Kündigungsschutz nach dem KSchG unterfallen, zumindest wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer (noch) besteht.

Die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes sind nicht für vertretungsberechtigte Organmitglieder juristischer Personen anzuwenden.

Die Begriffe „Arbeitnehmer“, „Beschäftigungsverhältnis“ und „Arbeitsverhältnis“

Für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in § 23 Absatz I 3 KSchG ist es ohne Bedeutung, ob Fremdgeschäftsführer nach § 7 Absatz I SGB IV als Beschäftigte angesehen werden und der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Die Begriffe „Beschäftigungsverhältnis“ und „Arbeitsverhältnis“ sind nicht identisch.

Daraus folgt, dass es für die arbeitsrechtliche Einordnung ohne Belang ist, ob der Geschäftsführer auf Grundlage eines Dienstvertrages (wie üblich) oder auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages – und somit als Arbeitnehmer – tätig ist. „Extreme Ausnahmefälle“, sollen hier unberücksichtigt bleiben. Der Geschäftsführer ist niemals Arbeitnehmer – zumindest solange es nicht um die Beantwortung sozialversicherungsrechtlicher Fragen geht. Es gilt der § 38 I GmbHG zu entnehmende Trennungsgrundsatz, wonach Organ- und Anstellungsverhältnis in ihrem Bestand unabhängig voneinander sind.

Sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Geschäftsführers

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, definiert die sog. Statusfeststellung: Welche Umstände prägen das Gesamtbild der Arbeitsleistung und welche Merkmale überwiegen? Auf Grundlage dieser Beurteilung unterliegen Fremdgeschäftsführer zwingend der Sozialversicherungspflicht, Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen nur unter Umständen.

Anwendbarkeit der Arbeitnehmerschutzrechte auf den Geschäftsführer

Diesen Sachverhalt hat das BAG 2020 zum Anlass genommen, von der sozialversicherungsrechtlichen Wertung auf die arbeitsrechtliche Beurteilung zu schließen und die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers bejaht. Ein weiteres tragendes Argument für die Entscheidung des BAG war der Umstand, dass die Parteien den Geschäftsführer im Dienstvertrag als „leitenden Angestellten“ bezeichnet hatten. Leitende Angestellte sind jedoch Arbeitnehmer. Damit fand der gesetzliche Kündigungsschutz auf diesen Geschäftsführer Anwendung.

Die – wohl in Unkenntnis der Rechtslage – geübte Praxis, den im Unternehmen vorhandenen Standard-Anstellungsvertrag auch für den Geschäftsführer zu verwenden, kann somit teure Konsequenzen haben. Denn als Arbeitnehmer unterliegt der Geschäftsführer nicht nur dem Urlaubs- sondern auch dem Arbeitszeitrecht.

Gleichwohl bleibt dem auf Grundlage eines Anstellungsvertrages beschäftigten Geschäftsführer die Anwendbarkeit des KSchG nach aktueller Rechtsprechung des BAG grundsätzlich verwehrt. Zwar kann § 14 Absatz 1 Nummer 1 KSchG als nur einseitig zwingendes Recht – auch konkludent – zugunsten des Arbeitnehmers abbedungen und der Kündigungsschutz damit auf vertraglicher Grundlage ausgedehnt werden. Dafür genügt jedoch die bloße Beschäftigung als Geschäftsführer auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags nicht. Dies widerspräche der gesetzlichen Konzeption des § 14 KSchG.

Ein Beispiel für einen Geschäftsführer-Dienstvertrag ist im Online-Gesetzeskommentar unter GmbHG.Kommentar.de abrufbar:

https://gmbhg.kommentar.de/Abschnitt-1/Geschaeftsfuehrer/Mustervertrag-zum-Geschaeftsfuehreranstellungsvertrag

Ruhender Arbeitsvertrag und Geschäftsführer-Dienstvertrag

Was aber gilt, wenn mit dem Geschäftsführer zwar ein rechtlich einwandfreier Dienstvertrag geschlossen wurde, der Geschäftsführer aber bereits zuvor auf einer anderen Stelle im Unternehmen tätig war? Das Problem entsteht regelmäßig daraus, dass in einem solchen Fall der Altvertrag nicht hinreichend beachtet wurde, so dass der Geschäftsführer über zwei Verträge verfügt.

Wird ein verdienter Mitarbeiter zum Geschäftsführer in dem Unternehmen berufen, in dem er seit längerem beschäftigt ist, besteht bereits ein Anstellungsverhältnis. Was geschieht mit diesem Anstellungsverhältnis durch den Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages?

Im Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags durch einen Mitarbeiter liegt im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses – zumindest dann, wenn die Parteien des Geschäftsführer-Dienstvertrags zugleich die Parteien des Arbeitsvertrags sind. Anderenfalls gibt es kein schriftliches Rechtsgeschäft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in dem die Vereinbarung über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses liegen kann.

Gerade in Konzernstrukturen geschieht es häufig, dass die Bestellung zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft erfolgt, und mit dieser der Geschäftsführer-Dienstvertrag geschlossen wird. In diesem Fall ruht der Arbeitsvertrag mit der Schwestergesellschaft lediglich. Dass parallel dazu ein zweiter Vertrag mit einer anderen Gesellschaft im Konzern besteht, ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung jenes Vertrages.

Auch in diesen Fällen ist eine sorgfältige rechtliche Bewertung des Sachverhalts mit entsprechender vertraglicher Gestaltung geboten.

Über den Autor

Dr. Philip Rödiger LL.M.oec. ist Fachanwalt für Handelsrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht sowie Fachberater für Unternehmensnachfolge. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung auf dem Gebiet des Unternehmensrechts ist er ein versierter Berater in allen Belangen kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU).

Als Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Straßer Ventroni Freytag in München verfügt Dr. Rödiger über profunde Erfahrung als Prozessanwalt aus mehreren hundert aktiv geführten Gerichtsverfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten. Kommentierungen von Dr. Rödiger sind auf GmbHG.Kommentar.de zu § 6 – Geschäftsführer und zu § 34 – Einziehung von Geschäftsanteilen zu finden.

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