Auslandssemester in Zeiten von Corona

Heimfahren oder an der Gastuni bleiben? – Vor dieser Frage standen oder stehen immer noch rund 75 Studierende der Hochschule Osnabrück, die im Sommersemester ins Ausland gereist sind. Das Ziel dieser sogenannten „Outgoer“ ist, neue Länder und Kulturen kennenzulernen und dabei Vorlesungen zu besuchen, ein Praktikum zu absolvieren oder eine Abschlussarbeit zu schreiben.

Nach einer langen Vorbereitungszeit mit Beratungsgesprächen und Bewerbungen um einen Austauschplatz, mit Stipendien- und Visaanträgen, Zimmersuche und Ticketbuchungen ging es für die meisten Austauschstudierenden im Februar los. An ihrem Ziel angekommen, wurden sie jedoch schon ein paar Wochen später vom Ausbruch der Corona-Pandemie kalt erwischt.

Die Studierenden reagieren darauf unterschiedlich – je nach der aktuellen Lage im Zielland und Alternativen zum Austauschsemester. Von den insgesamt rund 100 geplanten Auslandsaufenthalten wurden 16 nicht angetreten. Rund die Hälfte der Osnabrücker Outgoer haben ihr Gastland mittlerweile verlassen und besuchen Lehrveranstaltungen im Onlinemodus von Deutschland aus. Etwa 30 Osnabrücker Studentinnen und Studenten haben sich entschieden, vor Ort zu bleiben.

„Von unseren 22 Outgoern sind zwölf mittlerweile zurückgekehrt“, berichtet Maria Kiebert vom Internationalen Büro der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik (IuI): „Die Partnerhochschulen sind – wie wir auch – auf digitale Lehre umgestiegen. Vorlesungen und Projekte finden nun online statt.“ „Auch ihre Prüfungen können die Rückkehrer von Deutschland aus belegen“, ergänzt Prof. Dr. Norbert Bahlmann, Studiendekan der Fakultät für Internationales: „Das Online-Studium ermöglichen wir natürlich auch unseren Gaststudierenden – unabhängig davon, ob sie in Osnabrück geblieben oder wieder in ihre Heimat zurückgereist sind.“ 

Wie erleben die Studierenden der Hochschule Osnabrück ihr Auslandssemester in Zeiten der Pandemie? Drei Outgoer der Fakultät IuI schildern ihre Erfahrungen.

Daniela Tenfelde studiert Verfahrenstechnik und war in Bukarest: „Ich wollte im Ausland mein Englisch auffrischen, neue Menschen kennenlernen und ein wenig internationales Feeling genießen. Rumänien habe ich mir ausgesucht, weil ich Osteuropa einfach faszinierend finde. In Bukarest war ich für etwa fünf Wochen. Der Semesterstart war angenehm, es gab viele Veranstaltungen für internationale Studierende. Ich habe extrem viele neue Leute in der kurzen Zeit kennengelernt. Schon Mitte März wurden die Lehrveranstaltungen auf den Onlinebetrieb umgestellt. Danach gab es beinahe stündlich neue Entwicklungen – vom Ausrufen eines Notfalls bis zu Grenzschließungen und dem Einstellen des Flugverkehrs. Am 23. März bin nach Deutschland zurückkehrt; am Tag darauf sind von Rumänien aus alle Flüge nach Deutschland gestrichen worden. Zurzeit wohne ich bei meinen Eltern in meiner Heimatstadt Nordhorn, da ich mein WG-Zimmer in Osnabrück untervermietet habe. Ich stehe noch in Kontakt zu den anderen Austauschstudenten, viele sind allerdings auch zurück in ihr Heimatland geflogen. Die Online-Vorlesungen laufen weiterhin, wir bekommen alle Materialien und machen Online-Meetings. Die Gastuniversität hat uns benachrichtigt, dass alle Prüfungen für uns online stattfinden werden. Wenn sich die Situation wieder bessert, werde ich wieder nach Rumänien fahren. Es gibt noch so viel zu entdecken: Mit einem Studententicket kann man in ganz Rumänien umsonst Zug fahren, und meine Liste mit möglichen Ausflugszielen ist immer noch lang.“

Sönke Rütten studiert Maschinenbau und arbeitet in diesem Sommersemester an einem studentischen Projekt an der ENIT in der französischen Stadt Tarbes: „Für ein Semester im Ausland habe ich mich entschieden, weil ich Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit sammeln wollte. Ein anderes Ziel war, neue interessante Leute und deren Kulturen kennenzulernen. Meine Wahl ist auf Frankreich gefallen, weil ich meine Schulferien manchmal in der Provence verbracht und das Land dadurch schätzen gelernt habe. Der Empfang hier an der Uni war sehr angenehm. Mitarbeiter des Internationalen Büros haben mich vom Flughafen abgeholt und sich auch um meine Unterkunft gekümmert. Zu Beginn des Semesters gab es noch vieles zu regeln, aber auch dabei wurden wir unterstützt. In den ersten Wochen wurde viel Wert auf Teambildung und die Auswahl der Projekte gelegt. Mein Team besteht aus vier Mitgliedern: Daniel aus Glasgow, Mariona aus Madrid, Can aus Istanbul und eben mir. Zusammen arbeiten wir daran, einen alten 3D-Drucker zu reparieren und auf den neusten Stand der Technik zu bringen. Mit Beginn der Quarantäne am 16. März wurden die Lehrveranstaltungen auf Online-Betrieb umgestellt. Seitdem haben wir regelmäßig Online-Vorlesungen zum Thema Projektmanagement und treffen uns in Online-Meetings, um das weitere Vorgehen mit dem Projekt zu besprechen. Da alle Gruppenmitglieder im selben Wohnheim leben, haben wir das Glück, dass wir uns – natürlich mit genügend Abstand zueinander – im Park treffen können. Auch der Kontakt mit der Hochschule Osnabrück verläuft sehr gut und rege, besonders im Vergleich mit den Unis der anderen Austauschstudenten. Der „normale Alltag“ ist hier größtenteils lahmgelegt. Da die Quarantäne herrscht, darf ich nur noch mit einem speziellen Formular das Grundstück verlassen und dann auch nur für eine Stunde und für dringende Dinge. Trotzdem versuchen wir so gut es geht, an unserem Projekt weiter zu arbeiten. Nachmittags treffen wir uns häufig im Park mit den anderen Projektteams, die im selben Wohnheim wohnen, um nicht den ganzen Tag nur in unseren Zimmern zu sitzen. Ich habe mich entschieden, in Tarbes zu bleiben: Erstens halte ich es für risikoreicher, in der aktuellen Lage die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Zweitens ist hier trotz der kurzen Zeit ein starker Zusammenhalt zwischen uns entstanden, sodass sich auch alle anderen Gaststudierenden entschieden haben, zu bleiben.“

Johanne Linde studiert Aircraft and Flight Engineering und hat ihre Bachelorarbeit an der britischen University of the West of England (UWE) in Bristol verfasst: „Angekommen bin ich Anfang September 2019, noch bis Ende Juni bin ich an der UWE eingeschrieben. Dann sollte hier eine Abschlussfeier stattfinden – ob dies passiert, bezweifle ich aber. Der Start für mich und meine neun Osnabrücker Kommilitoninnen und Kommilitonen verlief gut. Es gab mehrere Veranstaltungen für internationale Studierende, und wir Osnabrücker haben noch extra Laborführungen bekommen. Seit dem 18. März laufen Vorlesungen im Online-Modus, Übungen – als Webinare. Nach den anfänglichen Hamsterkäufen hat sich die Lage wieder beruhigt. Ausgang ist nur erlaubt, um eine Stunde am Tag Sport zu machen, einzukaufen, zur Arbeit zu gehen oder andere zu unterstützen. Mit den anderen Osnabrückern stehe ich noch im Kontakt, zurzeit sind insgesamt vier von uns noch in Bristol. Für meine Bachelorarbeit habe ich eine Verlängerung von drei Wochen bekommen. Tatsächlich hat sich für das Studium in diesem Semester gar nicht so viel für mich geändert: Früher war ich den ganzen Tag in der Uni, um an meiner Bachelorarbeit zu schreiben – jetzt schreibe ich eben von zu Hause. Man kann keine Ausflüge mehr in die Stadt machen, essen gehen oder Pubs besuchen, aber das ist auszuhalten. Ich habe noch einige Mitbewohner, mit denen ich mich abends beim Brettspielen entspannen kann. Nach der Abgabe meiner Bachelorarbeit werde ich nach Deutschland zurückkehren und mein Masterstudium planen. Auch im Master werde ich wieder einen Auslandsaufenthalt anstreben.“

Daniela Tenfelde bei der Wanderung in den Südkarpaten. Die Studentin der Verfahrenstechnik an der Hochschule Osnabrück musste ihr Austauschsemester in Rumänien nach fünf Wochen abbrechen und studiert jetzt im Online-Modus zu Hause. (Foto: Hochschule Osnabrück / Daniela Tenfelde)

Sönke Rütten studiert Maschinenbau an der Hochschule Osnabrück. In diesem Sommersemester arbeitet er im Rahmen des „European Project Semester“ an einem studentischen Projekt im französischen Tarbes. Sein Selfie hat er im Park vor seinem Wohnheim aufgenommen. (Foto: Hochschule Osnabrück / Sönke Rütten)

Johanne Linde, Studentin des Aircraft and Flight Engineering an der Hochschule Osnabrück, hat im britischen Bristol seit September 2019 studiert und ihre Abschlussarbeit geschrieben. Die letzten Wochen vor der Abgabe arbeitete sie ausschließlich in ihrer WG. (Foto: Hochschule Osnabrück / Johanna Linde)

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