ThinKing Januar 2021 – Federleichter Herkules: Quadrocopter wiegt nur noch ein Drittel, trägt aber das Vierfache seines Eigengewichts

Der ThinKing im Januar belohnt die Engineering-Leistung zweier Studenten der Hochschule Pforzheim, die ihr Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen konsequent eingesetzt und ein Studienprojekt mit beharrlichem Tüftler-Ehrgeiz in einen echten Leichtbau-Erfolg verwandelt haben. Der auf Leichtbau getrimmte Quadrocopter verlor 60 % an Masse und trägt dennoch das Vierfache seines Eigengewichts.

Die Landesagentur für Leichtbau Baden-Württemberg präsentiert diese Innovation mit ihrem ThinKing im Januar 2021. Mit diesem Label gibt die Leichtbau BW GmbH monatlich innovativen Produkten oder Dienstleistungen im Leichtbau aus Baden-Württemberg eine Plattform.

Auf einen Blick:

  • Funktionsintegration: Die Ausleger der Drohne sind in der Grundplatte integriert.
  • 3D-Druck: Aus PLA additiv gefertigt ist die Platte nur noch so groß wie nötig.
  • Multi-Effekt des Leichtbaus: Der kleinere Akku wiegt nur noch ein Drittel.
  • Durchdachtes Sourcing: Die sorgfältig ausgesuchten Zukaufteile wiegen etwa ein Drittel weniger.

„Die erste Drohne war mit einem Gewicht von 1,5 kg viel zu schwer, daher nahezu flugunfähig“, beschreibt Marc Schulz die Ausgangslage für die Bachelorthesis, in der er zusammen mit Ken Noé in den vergangenen sechs Monaten aus dieser Drohne einen Leichtbau-Quadrocopter entwickelt hat. Die beiden sind Absolventen des Bachelorstudiengangs „Maschinenbau/Produktentwicklung“ und aktuell Studierende des Masterstudiengangs „Mechatronische Systementwicklung“. „Elektronik, Regelungs-, Steuerungs- und Displaytechnik, Softwareentwicklung, Informatik, Platinen-Fertigung, Leichtbau-Konstruktion und additive Fertigung – wirklich ausnahmslos alles, was wir über unser gesamtes Studium gelernt haben, steckt in dieser Entwicklung“, zeigt sich Noé begeistert.

Re-Design mit FEM-Analyse

Stolz können die beiden zu Recht sein: Zunächst brachte ein Re-Design der Grundplatte den größten Fortschritt bei der Gewichtsreduktion. „Bei der ersten Drohne haben wir ganz viel Fläche auf der Grundplatte nicht genutzt“, erzählt Schulz. Die neue Geometrie beschränkt sich daher auf die notwendige Fläche – und als besonderer Clou sind die Ausleger bereits integraler Bestandteil der Platte. Die sonst notwendigen Schraubverbindungen – und damit unnötige Masse – entfallen. Und die Montage der Drohne beschleunigt sich aufgrund der wenigen Teile deutlich. Als Material für die aktuelle 3D-gedruckte Grundplatte des Leichtbau-Quadrocopter wird PLA eingesetzt. Dank des additiven Herstellungsverfahrens können in die Platte die notwendigen Kabeldurchführungen – und weitere Aussparungen bereits beim Herstellprozess integriert werden. Denn durch eine FEM-Analyse der Grundplatte mit Auslegern wurde deutlich, dass dort, wo die Ausleger in die Platte übergehen, die Bereiche höchster Belastung durch Rundungen und Aussparungen zu stabilisieren sind. Zusätzliches Gewicht spart der kleinere Akku ein. Sein Anteil an der Gewichtsreduktion ist mit etwa 22 Prozent ebenfalls beträchtlich und zeigt einen typischen Leichtbau-Effekt: Wenn bewegte Massen leichter werden, lässt sich deutlich Energie einsparen. Ein auf Leichtbau fokussiertes Sourcing der Zukaufteile sorgte für weitere Gewichtsersparnis. So wurden die Füße der Drohne – vorher Blattfedern mit Befestigungen – durch leichte Aluminium-Hohlprofile ersetzt, welche auch die Deck- mit der Grundplatte verbinden. Die aktuelle Version entspricht nun in Bezug auf die Verbindungstechniken, auf Kabelführung und Lötstellen-Sicherung sowie auf die Zukaufteile dem neuesten Stand der Technik von Leichtbau-Multicoptern.

Regelungstechnik-Labor und Lastenesel

Da die Aufgabenstellung für die Bachelor-Arbeit „Entwicklung eines Multicopter-Prüfstands zur Visualisierung der Höhenregelung“ war, hat der leichte Quadrocopter Sensoren und Regelungstechnik bereits an Bord, ebenso wie zwei Gleitlager, die seine Flugbahn am Prüfstand zwischen zwei Stangen begrenzen. Hier wird er auf und ab fliegen und dient künftigen Studentengenerationen als Testlabor für regelungstechnische Zusammenhänge. So kann beispielsweise die implementierte Höhenregelung praktisch zeigen, wie sich eine Störung auf die Regelung auswirkt. „Das Projekt begann im Bachelorgrundstudium, wurde fortgeführt in einer gemeinsamen Bachelorthesis und kommt nun, wo die beiden parallel zum Masterstudium auch als wissenschaftliche Mitarbeiter der Hochschule tätig sind, sogar zu Lehrzwecken für jüngere Semester zum Einsatz,“ so Professor Peter Heidrich, der die Studierenden innerhalb der vergangenen drei Jahre betreute. Eine weitere wichtige Besonderheit zeichnet den Leichtbau-Quadrocopter aus Pforzheim aus. Momentan besitzt die Drohne an der Unterseite mittig einen Elektromagnet, mit dessen Hilfe kleinere Lasten zu transportieren und gezielt abfallen zu lassen. Die Auftriebskraft des 500g leichten Quadrocopters reicht jedoch aus, um Lasten heben, die viermal so schwer sind wie er selbst. Um diese maximale Zuladung auszunutzen müsste jedoch der Elektromagnet durch einen Greifer ersetzt werden.

Faszination Leichtbau

Auch nach Abschluss der aktuellen Arbeiten besteht darüber hinaus am Prototyp weiteres Optimierungspotenzial für den Leichtbau. So könnte man das Material der Grundplatte noch faserverstärkt ausführen, was durch die erhöhte Steifigkeit zu weiteren Material- und damit Gewichtseinsparungen führen wird. Außerdem ließe sich durch ein Überarbeiten der Adapterplatine und den Wegfall der Standardkomponente Arduino Uno weitere Bauteile und damit weiteres Gewicht einsparen und zusätzlich der Funktionsumfang erweitern. Auch der Elektromagnet bietet noch weiteres Verbesserungspotenzial. „Wir wollten von Grund auf eine Entwicklung starten und verstehen, mit welchen Schwierigkeiten man in einem Leichtbau-Projekt in den unterschiedlichen Disziplinen zu kämpfen hat“, beschreibt Noé seine Motivation und Schulz ergänzt: „Die besondere Herausforderung war, das gesamte Wissen aus dem Bachelor-Studium anwenden zu müssen, disziplinübergreifend – und sich so auf das Master-Studium vorzubereiten.“ Vielleicht macht das die Faszination des Leichtbaus aus – der multidisziplinäre Denkansatz fordert junge Ingenieure heraus und der Erfolg lässt Träume fliegen!

Über die Hochschule Pforzheim – Fachbereich Technik

Die Hochschule Pforzheim besitzt drei Fakultäten – Gestaltung, Technik sowie Wirtschaft und Recht. Die Fakultäten verbinden Kreativität mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung und technischer Präzision. Die Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim setzt auf nachhaltige Lehre mit Anwendungsorientierung. Der dort angesiedelte Forschungsschwerpunkt Produktentwicklung und Produktion umfasst die beiden wesentlichen Kernprozesse der Produktentwicklung und Produktion in einem Unternehmen. Da diese Prozesse in einem Unternehmen sehr eng miteinander verbunden sind und sie sich gegenseitig beeinflussen, wurden sie in einem gemeinsamen Schwerpunkt zusammengefasst.

www.engineeringpf.hs-pforzheim.de

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