Neues Projekt: Kölner Zoo finanziert Schutzmaßnahmen für seltenste Schildkrötenart Vietnams

Artenschutz im Fokus: Der Kölner Zoo setzt sich für die Annam-Bachschildkröte (Mauremys annamensis) ein. Sie zählt zu den bedrohtesten Schildkrötenarten der Erde. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) wird das nur in Zentralvietnam vorkommende Reptil als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Das ist der höchste Gefährdungsstatus.

Die Annam-Bachschildkröte  ist so selten, dass sie in freier Wildbahn entweder als ausgestorben oder funktionell ausgestorben gilt. Sie wurde von Schildkrötenexperten in die Top 25 der am stärksten gefährdeten Schildkröten der Welt aufgenommen. Obwohl das Asian Turtle Program (ATP) viele Erhebungen durchgeführte, wurde die Art jedoch bisher in keinem Schutzgebiet innerhalb ihres Verbreitungsgebiets nachgewiesen.

Die stark an Gewässer gebundene Art war aus Fließgewässern, Weihern und Feuchtgebieten des Tieflands bis zu einer Höhe von etwa 200 Metern bekannt. Sie ist ein Allesfresser, nimmt also sowohl pflanzliche wie tierische Nahrung zu sich.

Der Bestand dieser für Vietnam endemischen Schildkröte hatte durch illegalen Handel und Lebensraumverlust rapide abgenommen. Seit den 1930er Jahren galt die Art als verschollen. Sie wurde erst in den 1990ern wieder gesichtet. Da immer wieder Exemplare im ostasiatischen Lebensmittelhandel auftauchen, war anzunehmen, dass die Wildbestände noch nicht vollständig erloschen waren.

Um die Art zu retten, hat unser deutsch-vietnamesische Kooperationsteam – von Seiten des Zoos aus von Aquariums-Kurator Prof. Dr. Thomas Ziegler koordiniert  –    konkrete Maßnahmen eingeleitet. In den vergangenen Monaten finanzierte der Zoo u.a. wissenschaftliche Untersuchungen vietnamesischer Partner-Einrichtungen zu potentiellen Lebensräumen und Bedrohungen der Annam-Bachschildkröte. Mittels moderner e-DNA-Untersuchungen, also Untersuchungen des genetischen Fingerabdrucks der Zielart in Gewässern, wurde nach potentiellen, bisher übersehenen Populationen Ausschau gehalten. Hinzu kommen Genanalysen bei von Wildtierschmugglern konfiszierten Tieren, um deren Identität zu überprüfen. Zudem gab es Studien zu Möglichkeiten für Rückführungen genetisch reinerbiger Tiere in die Ursprungsgebiete, um die dortigen natürlichen Bestände wieder zu stärken.

Der Kölner Zoo stellte dafür im vergangenen Jahr 18.660 Euro aus dem Artenschutz-Euro-Programm zur Verfügung. Insgesamt gab der Zoo allein 2022 rund 360.000 Euro für nationale und internationale Artenschutzprojekte aus – ein Rekordwert in der Geschichte des Kölner Zoos. 

Hoffnungsfroh stimmende, erste Ergebnisse

Feldstudien in Naturschutzgebieten sowie in vorgeschlagenen Schutzgebieten im südlichen Vietnam zeigten, dass prinzipiell geeignete Lebensräume für diese Tiere existieren. In diesen konnten aber keine noch vorhandenen Populationen direkt erfasst werden. Interviews mit Einheimischen zeigten dann jedoch, dass es die Art dort früher gab. Infolgedessen kann dieser neue Standort, den wir hier mit Absicht nicht nennen, in Zukunft als Priorität für Erhaltungsmaßnahmen angesehen werden.

Während Interviewumfragen an einer weiteren Stelle konnte ein junges Tier in einer ländlichen Ortschaft nachgewiesen werden, das Jahre zuvor unweit vom Dorf gefangen wurde. Dies ist ein weiterer starker Beweis für das Vorhandensein der Art an dieser Stelle, die Teil eines Schutzgebiets in Zentralvietnam ist. Dieser Standort kann demnach als potentielles Gebiet für eine zukünftige Freisetzung dienen.

Detektivarbeit: Rettung und Identifizierung von Tieren aus dem illegalen Wildtierhandel

Trotz des Status der Art in freier Wildbahn wurden im Januar 2022 insgesamt 74 Individuen von Da Nang nach Hanoi verschleppt. Sie wurden von der Polizei von Hanoi beschlagnahmt und dann in das Rettungszentrum Soc Son in Hanoi gebracht. Es war zu dem Zeitpunkt jedoch unklar, ob diese Tiere reinrassig oder hybriden Ursprungs waren – im letzteren Fall dann für den Artenschutz nicht mehr von Nutzen.

Um diese Frage zu beantworten, haben das Asian Turtle Program, der Kölner Zoo und der Molekularbiologe und Schildkrötenschützer Prof. Dr. Minh D. Le vom Central Institute for Natural Resources and Environmental Studies (CRES) der Vietnam National University, Hanoi, zusammengearbeitet, um die Herkunft der beschlagnahmten Schildkröten mithilfe von molekularen Untersuchungen zu bestimmen.

Das genetische Screening ergab, dass drei Individuen Hybriden zwischen der vietnamesischen Sumpfschildkröte und einer weiteren Sumpfschildkrötenart waren. Die verbleibenden Tiere erwiesen sich aber glücklicherweise allesamt als reinrassig und werden nun in ein Zuchtprogramm in Menschenhand in Vietnam aufgenommen. Ziel ist, zukünftige Aufstockungsbemühungen dieser vom Aussterben bedrohten Art in der Wildbahn zu unterstützen.

Man kann nur schützen, was man kennt

Über die Biologie dieser mittelgroße Schildkrötenart ist aufgrund der Seltenheit nicht viel bekannt. Vieles, das wir heute über die Biologie der Art wissen, stammt daher aus Dokumentationen von in Zoos und Stationen gehaltenen Tieren. Es gibt gute Bestände der Art in zoologischen Einrichtungen in Europa, den USA und Vietnam. Bisher war es aber kaum möglich, in Menschenhand gehaltene Tiere wieder in ihren natürlichen Lebensraum zu entlassen, da keine durch Schutzgebiete erfasste Vorkommen bekannt und Informationen über bewohnte Lebensräume vage waren.

Die aktuellen Untersuchungen haben insofern geholfen, mehr über den Status dieser Art in der Natur zu erfahren, über den zumindest ehemals bewohnten Lebensraum und über sinnvolle Schutzgebietsplanungen. Der Kölner Zoo wird das vom Asian Turtle Program gemeinsam mit Prof. Dr. Minh D. Le von CRES in Hanoi maßgeblich vorangetriebene Projekt weiter unterstützen. Aufgabe ist nun, auf Basis der Interview-Ergebnisse und der durch die e-DNA Studien erhaltenen Ergebnisse neue Schutzgebiete auszuweisen.

Echte Macher: Kölner Aquarium – Pionier für den Artenschutz

Das Aquarium des Kölner Zoos ist vielfach engagiert, wenn es darum geht, die natürliche Biodiversität zu schützen. Über 130 Arten haben der zuständige Kurator Prof. Dr. Thomas Ziegler und sein internationales Kooperations-Team bei ihren Feldeinsätzen in aller Welt bereits entdeckt und wissenschaftlich erstbeschrieben. Besser kann man das Credo „Man kann nur schützen, was man kennt“, kaum mit Leben füllen. Die Liste der Artenschutz-Erfolge ist groß, www.koelnerzoo.de/artenschutz.

  • 2003 startete der Kölner Zoo mit weiteren Partnern im zentralvietnamesischen Phong Nha den Aufbau einer Auffang- und Wiederauswilderungsstation für konfiszierte Reptilien und Säugetiere. Im Rahmen von durch das Kölner Aquarium mitinitiierten Expeditionen kam es dort zu einer Vielzahl an Entdeckungen, was die Schutzbedürftigkeit der Region unterstrich. Phong Nha wurde später sogar zu einem Nationalpark erweitert und auch als UNESCO-Welterbe deklariert.
  • Anschließend hat der Kölner Zoo geholfen, im Norden Vietnams die Melinh Station für Biodiversität auf- und auszubauen – mit anspruchsvollen Nachzuchtprogrammen für hochbedrohte Amphibien und Reptilien. Weiterhin wurde dort, gemeinsam mit der Friedrich Ebert Stiftung Hanoi, ein Umweltbildungszentrum aufgebaut.
  • 2013 gelang dem Kölner Aquariums-Team die Erstnachzucht des Philippinenkrokodils in Europa, im Jahr 2015 erfolgte sogar die erste Naturbrut, d.h. die Jungen wuchsen zusammen mit der Mutter heran. Diese Pioniertat fand weltweit Beachtung. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) führt diese hochbedrohte Art, von der nur noch rd. 100 Tiere in der Wildnis leben, in ihrer Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“.
  • Immer wieder führt das Aquarium-Team des Zoos Nachzuchten zurück in die Ursprungsgebiete, um die in der Natur geschwächten Bestände zu stärken. Im Dezember 2020 brachte man mit „Hulky“ und „Dodong“ zwei in Köln geschlüpfte Philippinenkrokodile zurück in den Inselstaat. Bald sollen erneut Nachzuchten bei dieser so seltenen Spezies rückgeführt werden.
  • Bereits vielfach führte die wissenschaftliche Arbeit des Kölner Aquarium-Team gemeinsam mit Studierenden und internationalen Partnern, allen voran das IEBR in Hanoi – dazu, dass hochbedrohte Arten auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) und im Washingtoner Artenschutzabkommen aufgenommen oder hochgestuft wurden: so z.B. Krokodil- und Warzenmolche, die Krokodilschwanzechse, Tigergeckos und erst jüngst – beschlossen auf der letzten Vertragsstaatenkonferenz in Panama – die Grüne Wasseragame. 
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