Blick ins Immunsystem für eine individuellere Therapieplanung

Heidelberger Forschende haben das individuelle Zusammenspiel der Immunzellen und immunologischen Mechanismen bei Patienten mit Multiplen Myelom untersucht / Unterschiede im Immunsystem bestimmen das klinische Ansprechen auf die Behandlung mit sogenannten bispezifischen Antikörpern / Die Forschungsergebnisse sind Grundlage für eine personalisierte Therapieplanung und die Weiterentwicklung von Immuntherapien / Publikation in Cancer Cell

Dr. Mirco Friedrich, Professor Dr. Marc-Steffen Raab und ihr Forschungsteam am Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Kooperationspartner in Kanada geben in ihrer aktuellen Publikation in Cancer Cell Einblicke in die individuelle Funktion des Immunsystems bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom. Sie zeigten, dass Unterschiede in der Aktivität der Abwehrzellen Vorhersagen über das klinische Ansprechen einer Immuntherapie mit bestimmten künstlich hergestellten (bispezifischen) Antikörpern möglich machen.

Das Multiple Myelom ist eine bisher unheilbare Erkrankung der blutbildenden Zellen im menschlichen Knochenmark. Das Team um Dr. Mirco Friedrich aus der Medizinischen Klinik V, Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am UKHD und den beiden Klinischen Kooperationseinheiten Molekulare Hämatologie/Onkologie (Prof. Dr. Marc-Steffen Raab) und Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie (Prof. Dr. Michael Platten) am DKFZ hat die Zusammensetzung und Aktivität des Immunsystems bei Betroffenen im Detail analysiert. Im Fokus standen die sogenannten T-Zellen, denn sie erkennen veränderte Körperzellen, wie Krebszellen, mithilfe spezieller Oberflächeneiweiße (T-Zell-Rezeptoren) und können diese im Idealfall zerstören.

In den letzten Jahren haben neue immuntherapeutische Ansätze das Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten beim Multiplen Myelom erweitert. Eine Form der Immuntherapie nutzt nachgebaute T-Zell-Rezeptoren als sogenannte bispezifische Antikörper oder T-Zell-Engager (TCE). Die im Labor hergestellten Immuneiweiße werden den Patienten per Infusion verabreicht. Sie verfügen über zwei passgenaue „Andockstellen", jeweils eine für T-Zelle und Tumorzelle, und verbinden so die Immunzelle mit ihrer Beute, der Krebszelle. Die Behandlung mit bispezifischen Antikörpern ist bereits bei fortgeschrittenem Myelom zugelassen. Für die Behandlung des neudiagnostizierten Multiplen Myeloms wird die Therapie gerade in Studien getestet.

„Die TCE-Behandlung wirkt allerdings leider nicht bei allen Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom gleich gut. Womit dieser Unterschied im Therapieverlauf zusammenhängt, haben wir in unserem Forschungsprojekt nun genauer unter die Lupe genommen", erklärt Dr. Friedrich. „Ein Analyse-Verfahren, das wir für unsere Forschungsarbeit selbst entwickelt haben, erlaubt uns anhand der individuellen T-Zell-Landschaft eines Patienten eine Prognose des möglichen Therapieansprechens."

Die Forschenden entdeckten auf diese Weise, dass die Wirkung der TCEs beim Multiplen Myelom sehr stark von der patienteneigenen T-Zell-Ausstattung abhängt, insbesondere von der Menge an aktivierbaren Immunzellen. Hierbei spielen die sogenannten zytotoxischen T-Zellen eine große Rolle. Lassen sich diese im Labor anregen, sich zu teilen, ist auch bei dem dazugehörigen Patienten mit einem guten Therapieansprechen auf die TCEs zu rechnen. „Gibt es hingegen zu viele inaktive T-Zellen, so sagt dies unseren Beobachtungen nach eine geringe Wirkung der TCE-Behandlung beim Multiplen Myelom voraus", berichtet Prof. Raab, Leiter der Sektion Myelom in der Medizinischen Klinik V.

Ziel sei es nun, die Behandlung des Multiplen Myeloms auf Basis dieser Erkenntnisse besser planbar zu machen. Durch den Blick auf den Aktivitätsstatus der T-Zellen können Patientinnen und Patienten, die von der TCE-Therapie sehr wahrscheinlich profitieren, leichter identifiziert werden. Auf der anderen Seite kann bei Patienten, bei denen die Therapieform voraussichtlich nicht gut wirken wird, schneller nach einer anderen Option gesucht werden.

Darüber hinaus ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch der Bauplan der T-Zell-Rezeptoren besonders interessant und Teil ihrer Forschungsaktivitäten. Mit diesen Bauanleitungen lassen sich Rezeptoren künstlich herstellen, um sie für zielgenaue Immuntherapien zu nutzen.

Die Heidelberger Myelomforschung wird gefördert durch die Dietmar Hopp Stiftung. Die weiteren Forschungsaktivitäten von Dr. Friedrich zu krebsspezifischen Immuntherapien beim Multiplen Myelom werden für die Dauer von drei Jahren durch die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung mit einer Gesamtsumme von 493.000 Euro unterstützt. 

Originalpublikation

Friedrich M.J. et al., The Preexisting T Cell Landscape Determines the Response to Bispecific T Cell Engagers in Multiple Myeloma Patients. Cancer Cell 2023; https://doi.org/10.1016/j.ccell.2023.02.008

Weitere Informationen im Internet

Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am UKHD
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Klinische Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie am DKFZ

Über Universitätsklinikum Heidelberg

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum.uni-heidelberg.de

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