Neue Behandlungsansätze in der Neurorehabilitation – „ein innovativer Bereich mit evidenzbasierten Leitlinien, therapeutischem Erfahrungswissen, Robotik bis hin zu Virtual Reality und KI-basierten Anwendungen“

Drei Tage lang treffen sich führende Experten aus allen Bereichen der neurologischen Rehabilitation und angrenzender Gebiete und diskutieren neueste Erkenntnisse und Perspektiven für die Patientinnen und Patienten. „Erstaunliche Möglichkeiten“ ist das Tagungsmotto der drei Fachgesellschaften für Neurorehablitation aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – DGNR, OeGNR und SGNR – auf ihrer gemeinsamen Jahrestagung vom 14. bis 16. Dezember 2023 in Augsburg. Worum geht es bei diesen „erstaunlichen Möglichkeiten“ und was sind die Schwerpunkte und Highlights des hochkarätigen multiprofessionellen Kongresses? Dazu gibt der Tagungspräsident der DGNR, Prof. Dr. Andreas Bender, Facharzt für Neurologie mit den Zusatzbezeichnungen Neurologische Intensivmedizin sowie Rehabilitationswesen im Therapiezentrum Burgau und an der Neurologischen Klinik des Klinikums der Ludwig-Maximilians Universität (LMU), erste Einblicke.  

Die Rehabilitation von Neurologischen und Neurochirurgischen Erkrankungen ist ein junges medizinisches Fachgebiet, das rasant wächst. Dazu passt das Tagungsmotto „Erstaunliche Möglichkeiten“ – was steckt dahinter?  

Prof. Bender: Das Motto trifft in mehrfacher Hinsicht zu. Einerseits verfügt das Fachgebiet mittlerweile über ein erstaunlich breites und modernes Therapiespektrum bis hin zu robotischen Therapiegeräten und Anwendungen aus dem Bereich von virtueller Realität und künstlicher Intelligenz. Mit der Kombination aus langjährig erfahrenen TherapeutInnen- und multiprofessionellen Behandlungsteams mit evidenzbasierten Therapieverfahren können wir bei vielen unserer PatientInnen erstaunliche Verbesserungen mit einem Zugewinn an Funktionen, Aktivitäten, Lebensqualität und Teilhabe erreichen. Und nicht zuletzt möchten wir mit dem Motto darauf hinweisen, dass die Neurorehabilitation als Fachgebiet auch erstaunliche berufliche Möglichkeiten für ÄrztInnen, TherapeutInnen und Pflegende bietet – unter anderem Arbeiten in multiprofessionellen Teams, genügend Zeit für die umfassende und ganzheitliche Betreuung der PatientInnen und ihrer Angehörigen, Verwendung modernster evidenzbasierter Methoden und ein tiefes Verständnis für neurologische Erkrankungen und ihre Verläufe. 

Das Tagungsprogramm bildet das breite Methodenspektrum der evidenz-basierten Neurorehabilitation ab. Mit den vielfältigen therapeutischen Möglichkeiten können sich viele Patienten erholen. Was gehört inzwischen zum Standard – was sind innovativen Bereiche?  

Prof. Bender: Das Feld der Neurorehabilitation ist inhaltlich sehr breit aufgestellt  so wie auch die Symptome der PatientInnen extrem vielschichtig und heterogen sind. Wir können für sehr viele Symptome und Funktionsstörungen wirksame Behandlungen anbieten. Zum Standard der Rehabilitation von Lähmungen der Beine nach einem Schlaganfall gehören zum Beispiel intensive, herausfordernde Funktionstrainings mit vielen Wiederholungen unter Verwendung von Therapiegroßgeräten wie robotischen Gangtrainern und Laufbändern. Im Bereich der Rehabilitation der Sprache wissen wir, dass wir eine hohe Dosis an Sprachtherapie anbieten müssen, um Erfolge zu erzielen. Dabei kommen auch moderne Trainingsapps zur Anwendung, die PatientInnen als Eigentraining zusätzlich anwenden können, um die Therapiedosis zu steigern. Anwendungen der virtuellen Realität kommen zunehmend zum Einsatz, etwa für die Verbesserung der Arm- und Handfunktion oder für kognitives Training. Das Feld ist sehr dynamisch und es kommen permanent Innovationen aus unterschiedlichen Teilbereichen hinzu. Hierbei spielen auch KI-basierte Anwendungen eine Rolle, sei es in der Diagnostik und Prognoseerstellung bei PatientInnen mit sehr schweren Hirnschädigungen oder in Assistenz-Apps für die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit. Mit den Leitlinien, die wir als Fachgesellschaft entwickeln, versuchen wir für die unterschiedlichen klinischen Problemstellungen Standards zu definieren, damit evidenzbasierte Therapieverfahren immer weitere Verbreitung finden. Da sind wir sicherlich auf einem guten Weg, wenn auch noch nicht am Ziel.  

Drei Tage lang stellen führende Experten aus allen Fachgebieten der Neurologie und Rehabilitation neue Erkenntnisse und Perspektiven für die Patienten vor – die Bandbreite ist groß. Welche Schwerpunktthemen haben Sie gesetzt?  

Prof. Bender: Wir möchten die erstaunlichen Möglichkeiten des Fachgebietes in seiner ganzen Breite zeigen. Das reicht von einem Überblick über die wichtigsten Neuroreha-Studien der vergangenen 12 Monate über die aktuellen Leitlinien aus unserem Fachgebiet, die Zukunftsthemen Robotik, Bildgebung und virtuelle Realität, moderne Konzepte der Langzeitrehabilitation (inklusive MZEB – Medizinische Zentren für Erwachsene mit Behinderungen) bis hin zur Behandlung psychiatrischer Symptome und zur palliativen Versorgung innerhalb der neurologischen Frührehabilitation. Wichtig ist uns auch, dass wir Veranstaltungen und Themen für das gesamte multiprofessionelle Behandlungsteam anbieten, also für ÄrztInnen und NeurowissenschaftlerInnen, für TherapeutInnen und Pflegende. Auch wenden wir uns speziell an junge ärztliche WeiterbildungsassistentInnen, um sie für unser Gebiet als Arbeitsplatz der Zukunft zu begeistern. 

Die Neurorehabilitation ist ein innovativer Bereich, der sich mit neuen individualisierten Behandlungsansätzen weiterentwickelt. Wie sieht es aus mit Aus- und Weiterbildung, Arbeitsbedingungen und Karrierechancen für den Nachwuchs? Welche Konzepte zum Thema Personalmangel werden diskutiert? 

Prof. Bender: Natürlich ist der Fachkräftemangel auch im Bereich der Neuroreha-bilitation ein großes Thema. Deswegen möchten wir den Kongress nutzen, dem Nachwuchs zu zeigen, welche hervorragenden Arbeits- und Karrieremöglichkeiten sich bei uns bieten. In der Neurorehabilitation kann man im Rahmen der Weiterbildung hervorragend Neurologie lernen. Die Kliniken verfügen häufig über strukturierte Weiterbildungsrotationen, inklusive der neurologischen Funktionsdiagnostik und Intensivmedizin und im Gegensatz zur reinen Akutneurologie besteht der PatientInnenkontakt so intensiv und lange, dass man sehr viel über die Krankheitsverläufe und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen lernen kann. Außerdem wird gerade das Arbeiten in einem multi-professionellen Behandlungsteam mit entsprechender Aufgabenverteilung bei gemeinsamen Zielen von vielen MitarbeiterInnen in der Rehabilitation als sehr gewinnbringend und sinnstiftend erlebt. Neurologische Rehabilitation ist in älterwerdenden Gesellschaften ein Zukunfts- und Wachstumsthema. Es bieten sich bei mehreren Tausend Betten und sehr vielen Kliniken und ambulanten Behandlungszentren in diesem Bereich hervorragende Karrierechancen für alle Berufsgruppen. Trotz vielfältiger Innovationen und Dynamik gibt es aber noch viel zu wenig Forschung in unserem Gebiet. Ich bin überzeugt davon, dass sich das verbessern wird und auch NachwuchswissenschaftlerInnen im Bereich der Neurorehabiltation spannende und bedeutsame Betätigungsfelder mit hervorragenden Aufstiegsmöglichkeiten finden werden. 

Stichwort gerätegestützte oder -begleitete Rehabilitation. Was bieten neue Entwicklungen wie elektrische und magnetische Stimulationsverfahren für motorische, sprachliche, visuelle oder kognitive Rehabilitationsansätze?  

Prof. Bender: Generell gewinnen sogenannte Neuromodulationsverfahren wie die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS), die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) oder auch die Nervus Vagus-Stimulation immer mehr an Bedeutung in der Erholung neurologischer Funktionsstörungen nach einer Hirnschädigung, wie zum Beispiel einem Schlaganfall. Hierzu gibt es vielversprechende klinische Studien aus vielen Anwendungsbereichen, etwa die Verbesserung der Arm-/Handmotorik oder einer Sprach- oder Schluckstörung. Auch im Bereich der Rehabilitation nach einem Koma oder einer schweren Bewusstseinsstörung zeigen sich vielversprechende Therapieansätze, zum Beispiel mit tDCS zur Verbesserung von Wachheit und Bewusstsein. Viele der Verfahren und Anwendungen befinden sich allerdings noch in klinischen Prüfungen und Studien und sind noch ein Stück von der Routineanwendung im klinischen Alltag außerhalb von Studien entfernt. Es wird eine große Herausforderung sein, diese positiven Studienergebnisse einerseits in größeren Studien zu bestätigen und dann andererseits in den klinischen Alltag zu integrieren. 

Ist COVID/Post-COVID/Long-COVID ein Thema auf dem Neurorehabilitations-Kongress? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für Patienten mit chronischem Fatique-Syndrom oder COVID-bedingten neuropsychologischen Defiziten? 

Prof. Bender: Ja, natürlich sind die Gesundheitsbeschwerden nach COVID aber auch übergeordnet die Fatigue Themen auf dem Kongress. Wir haben einen Workshop zum Thema Fatigue-Management sowie eine Veranstaltung zu den speziellen auch insbesondere neuropsychologischen Herausforderungen bei anhaltenden Symptomen nach COVID. Hier werden individuelle Therapiekonzepte, aber auch die große Herausforderung in der Behandlung der Betroffenen diskutiert. Das Thema Fatigue beschäftigt uns ja in der Rehabilitation bei anderen, unter anderem auch neurologischen Erkrankungen, zum Beispiel der Multiplen Sklerose, bereits seit langem, so dass ExpertInnen auf diesem Gebiet über ihre Erfahrungen und Empfehlungen berichten werden. Als Fachgesellschaft haben wir übrigens auch federführend Leitlinien zur Rehabilitation bei COVID-19 veröffentlicht, in der auch die Fatigue thematisiert wird. 

Stichwort evidenzbasierte Medizin: Die deutsche Neurorehabilitation ist weltweit führend mit der Entwicklung von speziellen Rehabilitationsleitlinien – etwa in der Armtherapie, Mobilität und Spastik. Gibt es Konzepte, diese Leitlinien in Zeiten knapper Ressourcen/Personalmangel zu aktualisieren?

Prof. Bender: Wir sind als Fachgesellschaft sehr stolz auf unsere Leitlinien, die eine sehr wichtige Basis unserer klinischen Arbeit in der PatientInnenversorgung sind. Gleichermaßen ist es – wie Sie zu Recht sagen – eine große Herausforde-rung, neue Leitlinienprojekte anzugehen oder bestehende Leitlinien zu überarbeiten, denn das ist ja in erster Linie ehrenamtliche Arbeit. Wir sind den LeitlinienautorInnen und KoordinatorInnen sehr dankbar dafür, dass sie aus Idealismus ihre Freizeit dafür einsetzen, sich für eine standardisierte Qualität in der PatientInnenversorgung zu engagieren. Einige unserer Leitlinien sind sogenannte Living-Guidelines, die jährlich aktualisiert werden. Bei anderen haben sich die KoordinatorInnen für zusätzliche Ressourcen erfolgreich um eine öffentliche Drittmittelförderung beworben. Es bleibt aber eine Herausforderung, diese wichtige Aufgabe der Leitlinienarbeit zu leisten und ich denke, dass die finanzielle Unterstützung von Leitlinienprojekten noch mehr als wichtige Aufgabe der öffentlichen Drittmittelförderung betrachtet werden sollte. Um das Leitlinienwissen und evidenzbasierte Therapiekonzepte den in der Rehabilitation tätigen KollegInnen des multiprofessionellen Behandlungsteams zu vermitteln, bieten wir bei diesem Kongress erstmals das gesamte Curriculum Neurorehabilitation mit allen 10 Fort- und Weiterbildungsmodulen an. 

Das Programm des multiprofessionellen Neuroreha-Kongresses mit spezialisierten Medizinern, klinischen Wissenschaftlern und Therapeuten ist überaus vielfältig. Welche der Tagungsthemen liegen Ihnen besonders am Herzen? 

Prof. Bender: Wir können als Fach nur erfolgreich bleiben, wenn wir es schaffen den Nachwuchs in bei ÄrztInnen, TherapeutInnen, Pflegenden und Wissenschaftlern für das Thema zu begeistern. Deshalb freue ich mich besonders auf das Symposium „Neurorehabilitation: Weiterbildungs- und Arbeitsplatz mit Zukunft“. Neurorehabilitation ist Teamarbeit – daher liegen mir auch alle multiprofessionellen Symposia und Workshops am Herzen, in denen TherapeutInnen und ÄrztInnen einen gemeinsamen Blick auf die Diagnostik- und Therapieansätze haben. Auch freue ich mich darüber, dass wir nun auch einen Workshop für Aspekte der speziellen Pflege in der Neurorehabilitation im Programm haben, denn nur alle patientInnennahen Berufsgruppen gemeinsam werden es schaffen, das bestmögliche Therapieergebnis zu erreichen. Ganz wichtig ist mir auch das Thema der Lösungsansätze in der Langzeitrehabilitation, denn für viele PatientInnen sind Rehabilitation und Therapie mehr oder weniger lebenslange Begleiter. Hierfür brauchen wir Lösungen, die komplexen Herausforderungen gerecht werden – neben tollen Modellprojekten können hier z.B. die mittlerweile bundesweit verfügbaren MZEB aus meiner Sicht eine tragende Rolle spielen. 

Herzlichen Dank für das spannende Interview! 

Alle Informationen zum Gemeinschaftskongress und das gesamte wissenschaftliche Programm sind abrufbar unter www.dgnr-tagung.de.    

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